Marius, Rosenstolz und der Graf – dreimal deutsches Liedgut

Marius Müller-Westernhagen ist zurück und derzeit in aller Munde. Das Duo Rosenstolz feiert zwar kein Comeback, hat allerdings ebenfalls eine neue CD am Start. Ebenso wie der Graf, der eigentlich schon weg war, nun aber doch noch einmal neues Songmaterial veröffentlichte. Dreimal deutsches Liedgut, ganz frisch in den Verkaufsregalen…

Von Erk Bratke

mmw-coverWesternhagen / „MTV Unplugged“ (Virgin Records): Wurde ja auch höchste Zeit, dass der Marius das mal macht! Touren in kleineren und mittelgroßen Clubs konnte er von Beginn an, die großen Stadionkonzerte dann später auch. Und jetzt eben im Sitzen, mit Gästen und akustischen Instrumenten – so simpel ist das Konzept von „MTV Unplugged“ und so wirkungsvoll, wenn die Musik dieses herausragenden Künstlers ganz speziell zu leuchten beginnt. „Marius Müller-Westernhagen hat für tiefe Glücksgefühle gesorgt, als er in der Berliner Volksbühne 24 seiner Songs unplugged präsentierte“, formuliert das Plattenlabel.

Das Ergebnis liegt seit dem 28. Oktober bei Virgin Records vor – als Live-Album auf Doppel-CD sowie als Konzertfilm auf DVD/BluRay. Nahezu zeitgleich war der Auftritt schon auf mehreren Sendern im Fernsehen zu sehen. Sogar bei der TV-Show von Mario Barth war MMW zu Gast und machte die bekannten Blödelspielchen des Comedians mit. Klar, das neue Werk will ja beworben sein.

Der Konzertfilm wurde übrigens von keinem Geringeren als dem mehrfach prämierten Regisseur Fatih Akin („Gegen die Wand“, „Soul Kitchen“, „Tschick“) filmisch in Szene gesetzt. „Wir haben ‚Unplugged‘ als künstlerische Herausforderung gesehen“, sagt Marius Müller-Westernhagen. „Wir wollten uns nicht einfach nur akustische Gitarren umhängen und die originalen Arrangements als verkapptes Best of runterspielen. Es galt, das Material von über vier Jahrzehnten meiner Arbeit als Songschreiber zu sichten und mit ausschließlich analogen Mitteln völlig neu zu erarbeiten. Wir hatten die Ambition, es für uns wie für das Publikum auf den heutigen Stand unseres Verständnisses von guter Musik zu bringen.“

Und das ist es: gute Musik! Mit seiner Lebenspartnerin Lindiwe Suttle präsentiert Marius die Neukomposition „Luft um zu atmen“. Der Hit „Lass uns leben“ bekommt im Duett mit Tochter Mimi eine neue Bedeutung. „Durch deine Liebe“ teilt MMW mit der Berliner Straßenmusikerin Elen Wendt. Für „Mit 18“ kommt Selig-Frontmann Jan Plewka auf die Bühne. Und dann sitzt da auch noch ein guter alter Freund am Schlagzeug: Udo Lindenberg – er trommelt den „Pfefferminz“. Westernhagen habe keineswegs Gäste einladen wollen, nur weil sie im Augenblick populär sind und schon allein dadurch sein Projekt kommerzieller gemacht werden würde. „Es sollten Freunde sein, Menschen, die mir nahestehen, Weggefährten. Alles andere hätte ich als unehrlich empfunden“, betont der Protagonist. Folglich ist beispielsweise auch der geniale Carl Carlton mit an Bord.

Westernhagens Spiel ohne Stecker avanciert zu einer sehr persönlichen und höchst atmosphärisch inszenierten Werkschau. Und die Songauswahl? Sicherlich wird dem ein oder anderen MMW-Fan der ersten Stunde dieses oder jene Stück fehlen. Verständlich, wenn man an Westernhagens umfangreiches Schaffen denkt. Wer die Scheiben „Das erste Mal“ (1975) oder „Bittersüß“ (1976) daheim im Regal stehen hat, wird wissen, was gemeint ist…aber klar, man kann halt nicht alles haben.

rosenstolz-coverRosenstolz / „Das Beste“ (Universal/Polydor): Noch so eine Werkschau, und doch ganz anders. Die Bilanz dieses Pop-Duos spricht zweifelsfrei für sich – 14 Platin- und 13 Goldene Schallplatten für ihre 12 Studioalben, 38 Singles. Darüber hinaus konnten Rosenstolz insgesamt sechs Goldene Stimmgabeln, fünf Echos, zwei Cometen, eine Goldene Kamera, das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, ein Bambi, aber auch die sächsische Ehrenmedaille für herausragende Leistungen im Kampf gegen HIV und Aids sowie verschiedene weitere Auszeichnungen entgegen nehmen. Mit all dem etablierte sich das Berliner Ausnahme-Duo (Gründung 1991) als eine der eigenständigsten und erfolgreichsten Formationen innerhalb der deutschsprachigen Musiklandschaft.

Die mitreißende Sängerin AnNa R. und Produzent/Songwriter Peter Plate kreierten ihr ganz eigenes Sounduniversum – mit einer genre-übergreifenden Mischung aus Pop, Chanson und Rock und stets deutschen Texten. 2009 erkrankte Plate am Burnout-Syndrom. Zwei Jahre später erschien ihr bislang letztes Studiowerk „Wir sind am Leben“. Wie etliche Vorgänger schoss auch das zwölfte Album auf Platz 1 der deutschen und österreichischen Charts. Seit 2012 befindet sich die Band in einer kreativen Schaffenspause.

Rosenstolz: Peter Plate und AnNa veröffentlichen „ihr Bestes“. Foto: Olaf Becker
Rosenstolz: Peter Plate und AnNa veröffentlichen „ihr Bestes“. Foto: Olaf Becker

25 Jahre nach Bandgründung liegt nun mit „Das Beste“ die ganz große Werkschau vor – 20 Lieder mit rund 80 Minuten Spieldauer; enthalten sind natürlich die größten Highlights. Die Songsammlung spannt den Bogen von frühen Stücken wie „Herzensschöner“ und „Schlampenfieber“ über bekannte Hits wie „Liebe ist alles“, „Ich geh in Flammen auf“, „Willkommen“ oder „Ich bin ich (Wir sind wir)“ bis hin zu neueren Songs wie „Wir sind am Leben“ und „Lied von den Vergessenen“. Ein Rückblick auf eine ganz besondere deutsche Karriere, die Rosenstolz am besten in ihrem Lied „Liebe ist alles“ beschreiben: „Das ist alles was wir brauchen, noch viel mehr als große Worte; lass das alles hinter dir, fang noch mal von vorne an, denn: Liebe ist alles!“

unheilig-coverUnheilig / „Von Mensch zu Mensch“ (Vertigo/Universal Music): „Ein letztes Mal“ lautete der vielsagende Tournee-Titel, nachdem der Graf entschieden hatte, seine Karriere mit Unheilig zu beschließen. Kurz vor dem finalen Konzert am 10. September im ausverkauften RheinEnergie-Stadion in Köln überraschte der charismatische Frontmann seine Anhänger dann aber erneut mit einer unerwarteten Botschaft. In einem offenen Brief kündigte er ein Abschiedsalbum an. Gesagt, getan.

Mit „Von Mensch zu Mensch“ soll nun wirklich ein letztes Mal eine komplett neue Unheilig-Studioproduktion präsentiert werden. Anstatt mit Worten seinen Dank für all die schönen Erinnerungen und die ihm entgegengebrachten Emotionen auszusprechen, entschied sich der Sänger für seine ganz eigene Sprache, die Musik. Die Stücke sollen in gewohnter Stärke und mit gewohnten Studioteam ein beeindruckendes Kapitel deutscher Pop-Geschichte beenden.

Unheilig zeigen sich in all ihren Facetten und wie in den vergangenen Jahren einmal mehr chart-verdächtig. Ob nun im Pop-Gewand nah am Schlager oder als Streicherballade oder aber mit den bekannten Gitarrenriffs inklusive der ansteckenden Refrains zum Mitsingen. Mit Worten spielen, das kann er – der Graf beeindruckt, mit Direktheit, entspannt und nachdenklich gleichermaßen. Und so fällt nach 14 Songs mit „Ein letztes Lied“ schließlich der finale Vorhang dieses musikalischen Rückblicks. Emotional wie das Abschiedskonzert in Köln, als neben tausenden Fans auch dem Grafen die Tränen in den Augen standen.

Hörprobe: Die erste Single „Ich würd‘ dich gern besuchen“:

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