Demonstration und Petition: Kita-Streik in Barsinghausen

Barsinghausen (eb). Etwa eine Woche Kita-Streik ist vorbei. Zwischenzeitlich bundesweit ausgeweitet ist ein konkretes Ende des Arbeitskampfes von Erziehern und Sozialpädagogen nicht in Sicht. Mindestens bis Pfingsten sollen die Tagesstätten in kommunaler Trägerschaft geschlossen sein. Streik – da wird jede Menge Porzellan zerschlagen, auch in Barsinghausen und Wennigsen.

Streik-Bahnhofstraße
Aufmarsch: Der Protestzug führt über die Bahnhofstraße in die Innenstadt und zum Rathaus. foto:kasse

Arbeitgeber und Gewerkschaften schieben sich gegenseitig die Verantwortung für den Streik zu. Die Eltern stehen vor enormen Belastungsproben – und die Kinder? Anfangs noch amüsant gemeinte Äußerungen ziehen nur noch ein müdes Lächeln nach sich. „Ich habe kein Problem mit dem Streik, denn mein Mann ist Lokführer und derzeit öfter mal zu Hause“ – der Witz ist durch. Ebenso wie der (hinkende) Vergleich, dass Autos mehr wert sind als Kinder, weil eben in der Automobilbranche mehr verdient wird als in der Sparte der Erzieher.

Kurz vor dem „Vatertag“ machten in Barsinghausen kommunal angestellte Erzieher und Sozialpädagogen gemeinsame Sache mit den Eltern: Protestmarsch und Demonstration am Thie sowie die Abgabe einer Petition durch den Kita-Stadtelternrat (KitaSter) an den Bürgermeister. Allerdings klappte der Schulterschluss nicht komplett.

„In der Sache um leistungsgerechtere Bezahlung sind wir uns einig, mit dem von den Gewerkschaften ausgerufenen unbefristeten Streik jedoch nicht“, gaben KitaSter-Vorsitzender Oliver Stockmann und sein Stellvertreter, Heiko Kröber, unmissverständlich zu Protokoll. Gleichwohl standen sie bei der Demo am Rathaus Seite an Seite mit den Erzieherinnen.

„Streik ja, aber nicht um jeden Preis“, stand plakativ in der Petition an die Kommune. „Nach zwei Tagen Warnstreik sofort einen unbefristeten Streik herbeizuführen, ist für die betroffenen Kinder und Eltern eine nicht zu verantwortende Situation. Wir sind mit dem Vorgehen von Verdi nicht einverstanden“, heißt es erklärend. Und in Richtung der Kommune: Immer wieder werde nur gesagt, dass für derartige Lohnforderungen kein Geld da sei. „Wenn der Gesellschaft die frühkindliche Entwicklung so wichtig ist, wie behauptet wird, können wir solche die Aussagen nicht nachvollziehen.“

Stellvertretend für alle Eltern und Kinder der Stadt forderte der KitaSter die Parteien auf, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren und den Streik auf keinen Fall zu verlängern. Darüber hinaus wurde die Stadt Barsinghausen aufgefordert, den betroffenen Eltern die Kosten für nicht stattgefundene Betreung und das jeweilige Essensgeld zu erstatten.

Streik-Robra
Demo am Rathaus: KitaSter-Vorsitzender Oliver Stockmann, 1. Stadtrat Dr. Georg Robra und Michaela Redweykies, Mitorganisatorin der Barsinghäuser Streikgruppe (von links). Foto: Bratke

Für den noch recht frisch im Amt stehenden 1. Stadtrat war es der erste Streik in Barsinghausen; Dr. Georg Robra wurde lautstark von den Demonstranten empfangen. „Wir sind uns sehr wohl der guten Leistungen in unseren Kindertagesstätten bewusst, ebenso wie über die Belastung für die Eltern“, sagte Robra. Allerdings sei die Stadt Barsinghausen nicht Teil der Verhandlungskommission. Robra zeigte Verständnis, Wasserstandsmeldungen wolle er keine abgeben. Zehn Prozent mehr Lohn seien in Anbetracht der angespannten Haushaltslage jedoch schwer darzustellen. An die Adresse der Gewerkschaften appellierte er, maßvoll mit dem Streikrecht umzugehen. „Ich hoffe, dass die Solidarität nicht irgendwann in Frust umschlägt“, sagte Robra.

Auch die Streikgruppe hatte ein Papier vorbereitet. Als Überbringer stellten Michaela Redweykies und Heike Tamkus die Frage: „Wie viel ist Bildung wert?“ Eine Kita sei keine Verwahranstalt, sondern eine Bildungseinrichtung, in der der Ruf nach hoher Qualität zu Recht laut sei. Dabei seien die Aufgaben vielfältig, um die Kinder bestmöglich und optimal zu fördern. Ferner wurde formuliert: „Bildung dient dem Wohl der Kinder und damit der Gesellschaft. Gute Kitas können dies leisten. Es geht vor allem um Sprachförderung, Beziehungsarbeit, Sozialerziehung, Integration, Dokumentation von Entwicklung sowie um die Zusammenarbeit mit Schule, Sozial- und Gesundheitsamt, Therapeuten, Kinderärzten und der gleichen mehr.“

Nachdem Luftballons mit angehängten Postkarten am Rathaus aufgestiegen waren, zog der Demonstrationszug weiter in die Innenstadt, wo weitere Aktionen auf dem Wochenmarkt sowie am frühen Nachmittag eine Kundgebung mit Verdi-Vertretern folgte. Eine weitere Etappe ist für Donnerstag, 21. Mai, vorgesehen – dann tagt der städtische Ausschusses für Soziales, Jugend, Feuerwehr, Sport und Kultur ab 18 Uhr in der Aula der Adolf-Grimme-Schule.

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Der unbefristete Streik in Kindertagesstätten, Schulhorten und anderen Erziehungseinrichtungen wurde von Verdi und GEW bundesweit ausgedehnt. Nach Angaben der Gewerkschaften sollen sich mehr als 40.000 Beschäftigte an dem Arbeitskampf beteiligen. Nicht bei allen Eltern stößt der Streik auf Verständnis.

Die Stadt Barsinghausen hat zu den Auswirkungen des Streiks in den Kinderbetreuungseinrichtungen folgende Pressemitteilung verfasst: „Die Gewerkschaft Verdi hat bereits dreimal zu einem Warnstreik im öffentlichen Dienst für den Bereich des kommunalen Sozial- und Erziehungsbereiches aufgerufen. Dadurch waren bereits bis zu acht der zehn städtischen Kindertageseinrichtungen geschlossen. Die Verhandlungen mit den Arbeitgebervertretern sind gescheitert, so dass jetzt nach der erfolgten Urabstimmung seit Freitag, 8. Mai 2015, ein unbefristeter Streik durchgeführt wird.

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Demo statt Kita: Viele Kinder waren bei dem Protestmarsch dabei. Foto: Bratke

Dadurch bedingt werden alle städtischen Kindertageseinrichtungen geschlossen sein, die eine Betreuung von Kindern im Vorschulalter vorsehen. Lediglich der Hort in der Wilhelm-Stedler-Schule ist nicht von dieser streikbedingten Schließung betroffen. Für Eltern und Betreuungspersonen, die keine Möglichkeit der anderweitigen Betreuung ihrer Kinder haben, zum Beispiel weil beide Elternteile berufstätig sind, sowie für Alleinerziehende, bei denen keine Familienangehörigen die Betreuung übernehmen können, wird im Kindergarten Barsinghausen, Am Kindergarten 1, eine Notbetreuung für bis zu 100 Kinder eingerichtet.

Diese Notgruppen werden durch die pädagogischen Fachkräfte aller Barsinghäuser Kindertageseinrichtungen betreut, welche sich nicht am Streik beteiligen. Dieses Betreuungsangebot richtet sich nur an Kindergartenkinder. Eine Betreuung von Krippenkindern kann leider nicht gewährleistet werden.

Des Weiteren möchte die Stadt Barsinghausen noch folgende zusätzliche Informationen zum Streik und dessen Auswirkungen geben: Das Recht auf Streik ist unbenommen. Die Ausübung des Streikrechts durch die Erzieherinnen führt allerdings zu einer erheblichen Einschränkung des Betreuungsangebots in den kommunalen Einrichtungen. Gegenstand der Auseinandersetzung ist der Tarifvertrag für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst. Streikberechtigt sind daher nur die pädagogischen Fachkräfte.

Ein Streik gilt als höhere Gewalt. Nach der Gebührensatzung der Stadt Barsinghausen wird die Gebühr bei Schließung aufgrund von höherer Gewalt nicht ermäßigt. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die selbständige Kürzung von Kindergartengebühren nicht rechtmäßig ist und im Mahnverfahren durch die Stadtkasse eingetrieben wird. Den Streikenden wird anteilig das Gehalt gekürzt. Das bedeutet aber nicht, dass die Stadt dadurch „verdient“. Die Elternbeiträge decken bei weitem nicht die Kosten für die Kindergärten. In großem Umfange müssen Steuergelder aufgewandt werden, um die Betreuungsangebote zu finanzieren.“

Die Notfallbetreuung gestaltet sich in der 21. Kalenderwoche wie folgt: Bis Freitag, 22. Mai, von 7 bis 17 Uhr analog zu den angemeldeten bisherigen Betreuungszeiten. Es wird für die Kinder ein Mittagessen angeboten. Die Betreuung ist zunächst bis Pfingsten gesichert. Die Stadt Barsinghausen wird auf ihrer Homepage unter www.barsinghausen.de über die aktuellen Auswirkungen des Streikes informieren.

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Tag der Arbeit: Bereits bei der Kundgebung am 1. Mai machten Erzieherinnen auf den Streik aufmerksam. Foto: Bratke

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