Ganz normal oder total verrückt? Alles eine Frage der Perspektive…

Barsinghausen (wk). Philip Klapproth geht es gut. Er lebt in der Provinz, ist wohlhabend. Und doch fehlt ihm etwas im Leben. Nur allzugern würde er einmal seinen Stammtisch-Kumpels von einem richtig „durchgeknallten“ Erlebnis berichten. Also zieht es ihn nach Berlin, in der Hoffnung, dass die Metropole ihm eine solche Erfahrung bescheren kann. Er landet in der „Pension Schöller“. So lautet auch der Titel der Komödie, zu deren Premiere das Ensemble der Deister-Freilicht-Bühne am Samstag, 6. Juni, um 16 Uhr einlädt.

Die Regie obliegt Renate Rochell aus Hannover, die in den vergangenen Jahren bereits verschiedene Stücke für die Deister-Freilicht-Bühne inszenierte. Ihr Markenzeichen: Mit Professionalität, Ruhe und viel Liebe zum Detail beste Unterhaltung schaffen. Ihr zur Seite steht Ilona Schwerdt-Schmidt als Regieassistenz, die auch für die Maske verantwortlich zeichnet. Die „2. Premiere“ findet am Sonntag, 7. Juni, ebenfalls um 16 Uhr statt. Tickets und weitere Infos online unter www.deister-freilicht-buehne.de

Zur Handlung

Pension-Schöller-3
Will was erleben: Philip Klapproth (Harry Karasch) zieht es aus derProvinz in die Metropole Berlin.

Philip Klapproth (Harry Karasch) verspricht seinem Neffen Alfred (Sören Großestrangmann) Unterstützung bei der Finanzierung seines neuen Geschäftsmodells, wenn er ihm dafür Zutritt in eine „Klappsmühle“ verschafft. Da trifft es sich gut, dass in der Pension Schöller eine abendliche Soiree stattfinden soll. Alfred hat eine zündende Idee: Er „verkauft“ seinem Onkel nun die Pension Schöller als brandneues Konzept einer „offenen Anstalt“, in der sogar gesellige Abende stattfinden. Und der Trick funktioniert. Zwar sind die skurrilen Gäste keinesfalls Psychiatrie-Insassen, gleichwohl geben sie sich derart exzentrisch, dass Klapproth sie tatsächlich allesamt für irre hält. Wer normal und wer verrückt ist, erscheint lediglich als eine Frage der Perspektive.

„Jetzt ist mir eine Fniege in den Hans gefnogen“

Mit diesem Stück, es nennt sich Posse, haben schon Generationen von Theaterensembles ihr Publikum begeistert. Eine Posse, also die derb lustige Spezialform der Komödie, nutzt als Mittel zur Belustigung die Situationskomik, den Wortwitz, die klischeehafte Figur eines Menschen und die Verwechslung. Hier sind jedoch die Irrungen nicht zufällig, weil gerade mal ein Anderer herein kommt als erwartet wurde, nein hier wird die Hauptperson bewusst in die Irre geleitet.

Am 7. Oktober 1890 wurde Pension Schöller in Berlin uraufgeführt. Die beiden Mainzer Karnevalsautoren Carl Laufs und Wilhelm Jacoby schrieben wohl nie ein erfolgreicheres Stück. Schon über ein Jahrhundert unterhält diese herrliche Grundidee mit der stets wie­derkehrenden Frage – wer ist hier eigentlich verrückt und wer normal?

Wilhelm Jacoby wurde am 8. März 1855 als Sohn eines Verlagsbuchhändlers in Mainz geboren. Nach einer Buchhändlerlehre, die er jedoch abbrach, arbeitete er ab seinem zwanzigsten Lebensjahr als Zeitungsredakteur. Nebenher verfasste er als wortgewandter Vielschreiber eine Fülle von Schwänken, Possen und Operntexten. Seine Stücke unterschieden sich von den französischen Lustspielen dadurch, dass sie den Bereich des Erotisch-Pikanten oder gar Schlüpfrigen kaum berührten. In Mainz war er als Karnevalist tätig und stand zeitweise dem MCV als Präsident vor. In dieser Funktion lernte er Carl Laufs kennen und verfasste mit ihm viele karnevalistische Texte und Stücke. Zur Pension Schöller steuerte er die Idee bei. Er starb 70jährig am 20. Februar 1925 in Wiesbaden.

Carl Laufs wurde am 20. Dezember 1858 in Mainz geboren. Von dort ging er als freier Schriftsteller nach Göttingen und später nach Kassel. Auch er arbeitete als Autor von Lustspielen und Schwänken. Obwohl Jacoby zu Pension Schöller nur die Idee zusteuerte und nicht einen einzigen Satz geschrieben hatte, ließ Laufs ihm stets die Hälfte der Tantiemen zufließen. Carl Laufs starb als wohlhabender Mann am 13. August 1900 im Alter von 42 Jahren in Kassel.

Wilhelms Sohn Georg führte dreimal die Regie bei Verfilmungen dieses Stoffes: 1930, 1952 und 1960, in denen brillante Komiker wie Theo Lingen, Paul Henckels und Rudolf Vogel mitwirkten. Vier weitere Verfilmungen, in denen unter anderem Willi Millowitsch und Harald Juhnke in den Hauptrollen auftraten, entstanden in den Jahren 1968 bis 1997.

Pension-Schöller-2
Einfach irre, diese Pension Schöller.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein