Gasthaus Volker schließt Ende Januar nach 158 Jahren

Barsinghausen. Eine der ältesten Gaststätten der Deisterstadt, das Gasthaus Volker an der Rehrbrinkstraße/Ecke Wilhelm-Heß-Straße, schließt Ende dieses Monats für immer seine Türen. Das Gebäude steht zum Verkauf.

Von Wolf Kasse

„Wir haben uns im Herbst letzten Jahres dazu entschlossen, den Geschäftsbetrieb einzustellen“, sagt Gastwirt Friedrich Wilhelm Volker. Der wird in diesem Jahr 64 und möchte gerne in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Das hätte er bereits vor Jahren tun können, denn nach einer schweren Krankheit Anfang der 1980er Jahre ist er zu 80 Prozent schwerbehindert. Doch er gab nie auf und kämpfte sich zurück ins Leben. Eine Verpachtung stand laut Volker nie zur Diskussion, und trotz aller Bemühungen wurde bislang auch kein Käufer gefunden, der die Gaststätte mit Hotelbetrieb weiterführen will.

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Geht Ende Januar in den Ruhestand: Gastwirt Friedrich Wilhelm Volker. foto:kasse

Volker kann sich vorstellen, dass das Hauptgebäude für Büro- und Wohnzwecke umgestaltet wird. Das große Grundstück sei auch teilbar, sodass hier noch ein weiterer Neubau entstehen könnte. „Im Moment verändert die Rehrbnrinkstraße ja massiv ihr Gesicht, da würde eine Umwidmung vielleicht gut ins Bild passen“, meint Volker. Er führte das Gasthaus Volker in 5. Generation seit 1980. In den vergangenen 35 Jahren gab es Höhen und Tiefen, diverse Wirtschaftskrisen bekam der Gastwirt zu spüren. So blieben etwa nach der Grenzöffnung viele Gäste aus Berlin auf einmal fern. Überlebt haben nur wenige Gastronomiebetriebe, Volker sah viele „Eintagsfliegen“ kommen und gehen. Der Hotelbetrieb lief stets gut, aktuell seien 21 Betten und ein „Notzimmer“ verfügbar. Kapazitäten, die künftig in Barsinghausen fehlen werden. „Was hier fehlt, ist die Mittellage im Preisniveau zwischen dem Sporthotel und den Billigzimmern“, stellt Volker fest. Im direkten Barsinghäuser Ortskern gibt es künftig nicht mehr viele Alternativen, wenn das Gasthaus Volker geschlossen sein wird.

Die klassische Gastronomie habe sich in den letzten 30 Jahren stark verändert, stellt Volker fest. Heute gebe es bei fast jedem Bäcker oder im Wurst-Basar Sitzplätze mit entsprechenden Angeboten. Auch habe der bürokratische Aufwand erheblich zugenommen. So müsse man jetzt beispielsweise ellenlange Listen mit Allergenen aufstellen. Das führe letztlich auch zu einer Einschränkung der Kreativität, was das Angebot an neuen Speisen anbelange. „Durch die vielen Vorschriften wird man als Gastronom ziemlich ausgebremst“, bedauert Volker die Entwicklung.

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Zur Neueröffnung 1981 erschien diese Anzeige.

Gleichwohl, unterm Strich sei er „ganz zufrieden“, sagt Volker, der zusammen mit Bärbel Reinke und acht Aushilfskräften das Gasthaus Volker führte. Alle Aushilfen haben übrigens zwischenzeitlich neue Jobs gefunden. Das Gasthaus Volker war vor allem bei den älteren Bürgerinnen und Bürgern sehr beliebt. Am kommenden Sonntag findet dort die letzte Familienfeier statt – nach unzähligen zuvor. „Wir hatten auch Stammgäste, die haben sogar angerufen, wenn sie mal nicht kommen konnten“, freut sich Volker über treue Kunden. Im Laufe der Jahre hatten auch viele Vereine ihr festes Domizil im Gasthaus Volker, so etwa der Heimatbund, der Deister-Obst-und Gartenbauverein, Haus & Grund, der Verein für Orts- und Familienkunde oder die Geflügelzüchter. Auch ein Tanzclub war dort regelmäßig zu Zeiten, als der Saal noch in Betrieb war.

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Legendär: Voodoo-Disco mit Bernd Hogrefe (links) im Saal des Gasthauses Volker.

Apropos Saal: Viele Barsinghäuser werden sich noch an die legendären Voodoo-Diskotheken erinnern, die Bernd Hogrefe dort veranstaltete. Friedrich Wilhelm Volker denkt mit gemischten Gefühlen an diese Zeit zruück. Bevor er den Betrieb von seinen Eltern Daniel und Getrud Volker 1980 übernahm, war die Gaststätte neun Jahre lang verpachtet gewesen. „Das war so ein Gemisch zwischen Disco und Stundenhotel“, erinnert er sich. Der Betrieb des Saales im Obergeschoss war zudem eine kostspielige Angelegenheit. 1961 wurde im unteren Geschoss eigens mit viel Aufwand ein überdimensionaler Träger eingebaut, und als es dann soweit war, gab es viele Auflagen. So mussten unter anderem 80.000 D-Mark in Brandschutzeinrichtungen investiert werden, eine Ausgabe, die man nicht einkalkuliert hatte. Als sich dann schließlich 200 und mehr Personen in der Disco austobten, schritt die Gewerbeaufsicht ein und machte den Saal wegen zu hoher Belastung dicht. 1991 wurde der Saal schließlich zu Gästezimmern ausgebaut, und auch dabei gab es wieder viele Auflagen.

Die Tradition des Gasthauses Volker reicht noch weiter zurück als bis zum Jahr 1857. Ingrid Ewig hat dazu vor einigen Jahren eine Zusammenfassung erstellt, die in der DLZ veröffentlicht wurde. Das älteste heutzutage noch bewirtschaftete Lokal ist der Klosterkrug. Außerdem gab es am Kaltenborn 2 im Bothe-Haus eine weitere „Krug-Nahrung“ – so wurden die Gaststätten früher genannt. „Dritter im Wirtebunde war im 18. Jahrhundert die Gaststätte von Friedrich Eberhard, die um 1840 von Daniel Volker für 6.000 Taler gekauft wurde“, schrieb Ewig seinerzeit. Daniel Volker betrieb bis zum Brand seines Anwesens ebenfalls im Kaltenborn eine gern besuchte Wirtschaft mit Brennerei, in der bereits 1716 das erste Bier ausgeschenkt wurde. Die Brandkatastrophe beendete am 12. November 1856 alle Existenzträume. Der Verlust des gesamten Gebäudekomplexes einschließlich allen Inventars sowie der „Erndte-Früchte des vorigen Jahres“ traf die Bauern- und Gastwirtsfamilie hart.

Das Gasthaus Volker in den 1950-er Jahren. Der DKW galt damals als "schickes Auto".
Das Gasthaus Volker in den 1950-er Jahren. Der DKW galt damals als „schickes Auto“.

Allen Widerständen zum Trotz baute Daniel Volker ein neues Haus mit Scheune, Stall und Kegelbahn. Nicht wenige Barsinghäuser hielten ihn für verrückt, denn er baute nicht innerhalb der Ortsgrenze. Das letzte Haus am Kaltenborn war seinerzeit das der Bäckerei Hünerberg, danach kam nichts mehr. Volker baute aber am sogenannten „Rübekamp“, heute Rehrbrinkstraße (Ecke Wilhelm-Heß-Straße). Das dortige große Stück Gartenland befand sich bereits in Daniel Volkers Besitz. Der Geschäftsbetrieb am „Rübekamp“ wurde 1857 aufgenommen, er brachte Daniel Volker aber kein Glück. Er verstarb drei Jahre später hoch verschuldet, die Brandkatastrophe hatte alle finanziellen Reserven aufgebraucht.

Kurzzeitig führte Volkers Witwe Dorothee (geb. Schrage) das Geschäft weiter, sie übergab es schließlich 1865 an ihren Sohn Friedrich Wilhelm. In den folgenden 100 Jahren gab es in Barsinghausens zweitältester noch bewirtschafteter Gaststätte mehrere Besitzerwechsel, bis 1981 Friedrich Wilhelm Volker das Ruder von seinen Eltern Daniel und Getrtud Volker übernahm. Eine bemerkenswerte Ära einer bemerkenswerten Gastwirtsfamilie. Schade, dass sie jetzt beendet wird.

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