TSV B: Festrede mit Knalleffekt und eine Laudatio mit Tiefgang

Barsinghausen. Rot hätte zwar auch gepasst, zum Festakt anlässlich des 125-jährigen Bestehens des TSV Barsinghausen schritten die Vereinsmitglieder und die eingeladenen Gäste jedoch über einen grünen Teppich. In der vereinseigenen Tanz- und Gymnastikhalle am REWE-Sportpark wurde am Sonntagvormittag Rückschau auf eine bewegte Vereinsgeschichte gehalten, es gab mehrere Ehrungen, die man sich eigens für diesen festlichen Moment aufgespart hatte, und es gab auch den einen oder anderen Blick in Richtung Zukunft.

Von Wolf Kasse

Gastgeber: TSV-Vorsitzender Klaus-Jügren Dallmann. foto:kasse
Gastgeber: TSV-Vorsitzender Klaus-Jürgen Dallmann. foto:kasse

Der TSV-Vorsitzende Klaus-Jürgen Dallmann begrüßte die Gäste in der Halle und freute sich, dass diese gut gefüllt war, nachdem der Zulauf beim Familienfest tags zuvor nicht so groß ausgefallen war wie eigentlich erwartet. Da ging es den TSV-ern nicht anders als den Politikern, die ebenfalls immer häufiger Probleme haben, die eigenen Parteimitglieder an die Wahlurnen zu locken.

Seit Jahren haben die traditionellen Sportvereine mit schwindenden Mitgliederzahlen zu kämpfen. Die Konkurrenz, sei es im sportlichen Bereich in Form von gewerblichen Fitness-Centern, sei es im Bereich eines wachsenden alternativen Freizeitangebots, ist groß. Auf diese Aspekte ging Dagmar Ernst ein. Die stellvertretende Vorsitzende des Regionssportbundes sprach über die Zukunft und Stellung der Vereine in der Gesellschaft. Ein schwieriges, sehr sperriges Thema, wie sie anmerkte.

Der Verein vor Ort sei immer noch eine sehr wichtige Institution für die Menschen. „Die Kinder, die Erwachsenen, die Familien, sie können hier Sport treiben. Wir haben hier Plätze, auch wenn die Infrastruktur meistens schon etwas in die Jahre gekommen ist“, so Ernst. Man könne hier für „günstig Geld“ Sport treiben, auch Wettkampfsport, man könne sich mit anderen messen. „Das ist sehr wichtig, eine Kernkompetenz der Vereine, dieser Wettkampf“, hob Ernst hervor.

Aber da seien ja auch noch diese vielen anderen Menschen, die sich im Verein betätigen, wie beispielsweise die Turnsparte der Damen, die das gesellschaftliche Leben im Verein tragen. Das sei auch ein ganz wichtiger Punkt. 1891 sei es sicher einmal Zweck gewesen zu turnen und sich körperlich zu ertüchtigen, aber es sei auch die Geselligkeit, das Vereinsleben gewesen, was eine wichtige Rolle spielte. Das habe sich verändert, wenn man einmal zurückschaue, so Ernst. „Dieses klassische Vereinsleben, wo man als Kind zum Turnverein hingeschleppt wurde, wo man in Barsinghausen sein Leben lang wohnte und auch so lange im Verein blieb, ja selbst dann dem Verein treu blieb, wenn man mal wegzog – schließlich will man ja auch die Ehrung für 50 Jahre Mitgliedschaft haben, dafür hat man ja lange genug bezahlt – solche Biografien werden leider immer weniger“, stellte Ernst fest.

TSV-B-Dagmar-Ernst
Vision vom Verein 4.0: Die stellvertretende Vorsitzende des Regionssportbundes Dagmar Ernst. foto:kasse

Für die Zukunft der Vereine sei es bedeutend, immer wieder Menschen zu finden, die etwas bewegen wollen und auch können. Dabei sei es wichtig, dass auch immer mehr Frauen in die Vorstände kommen. Früher sei dies ausschließlich eine Domäne der Männer gewesen. Darüber hinaus sei die Zusammenarbeit der Generationen ganz wichtig. Die Vorstände sollten zuhören können, offen sein für neue Ideen, dem Nachwuchs eine Chance geben zur aktiven Mitarbeit. Die Zeiten von Sprüchen wie „das haben wir schon immer so gemacht“ sollten der Vergangenheit angehören.

In vielen Vereinen habe man bereits reagiert und starre Strukturen abgeschafft. Da verzichte man auf die hemmende Hierarchie und setze stattdessen auf Teamarbeit, berichtete Ernst. Die Maxime sei: „Wir machen das zusammen!“. Der erfolgreiche Fortbestand der Vereine könne letztlich aber nur gelingen, wenn ihnen nicht immer neue Verpflichtungen, beispielsweise bei der Unterhaltung der Sportstätten, von Politik und Verwaltung zugemutet werden. Ernst brach in diesem Zusammenhang auch eine Lanze für das Ehrenamt. Tendenzen, Vereine durch angestellte Geschäftsführer zu verwalten, erteilte sie eine klare Absage: „Ich meine, das ist nicht Sinn und Zweck eines Vereins“.

Ernst regte an, ähnlich wie in der Wirtschaft einmal über den „Verein 4.0“ nachzudenken. Mit Blick auf die Altersstruktur sagte sie, dass man im Bereich der Region Hannover die Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen bis zum 14. Lebensjahr in den Vereinen gut abdecke, und dann ginge es ab 40 Jahre wieder los mit dem aktiven Sport im Verein. „Dazwischen fehlt uns was“, sagte Ernst. Und weiter: „Was passiert mit der Generation, die danach kommt? Bleiben die Kinder im Verein, wenn die Eltern es ihnen nicht mehr vorleben? Das sind Fragen, die wir uns stellen müssen“.

In einer Zeit, die immer schnelllebiger werde, müsse der Verein eine „Zone der Entschleunigung“ sein, eine Zone des gesellschaftlichen Zusammenkommens und des Zusammenlebens. Jungen Leuten könne sie nur raten, sich in den Vereinen zu engagieren, denn dort könne man sehr viel lernen fürs Leben. „Ich habe das selbst auch erlebt und konnte mir vor 20 Jahren auch noch nicht vorstellen, irgendwo mal Reden zu halten oder Vorsitzende eines Vereins zu sein, geschweige denn mal einen Sportplatz zu bauen. Das habe ich mittlerweile alles hinter mir und kann sagen, das hätte ich in meinem normalen Leben nie erlebt – und es hat mich geformt und für mein ganzes Leben weitergebracht. Das ist etwas, was man der nächsten Generation mitgeben kann, indem man ihr sagt, wenn ihr etwas verändern wollt, dann könnt ihr es, ihr müsst es nur tun“. Dazu müsse man die Menschen begeistern, denn sie seien es, die einen Verein ausmachen. Ganz besonders wichtig sei es deshalb, dass man Menschen, die andere begeistern können, unterstützen und aufbauen sollte.

Keine Frage, die stellvertretende Vorsitzende des Regionssportbundes hatte sich gut vorbereitet auf ihren Jubiläumsbesuch, sie hatte weit mehr im Gepäck als die übliche Laudatio. So manches Vorstandsmitglied, so mancher Sparten- oder Übungsleiter wird über ihre Worte sicher noch intensiv nachdenken.

Neben den eindringlichen Worten hatte Dagmar Ernst aber tatsächlich auch noch handfeste Geschenke dabei. Sie überreichte neben einer Urkunde des Landessportbundes auch die Albert Lepa-Plakette an das Vorstandsduo Klaus-Jürgen Dallmann und Kerstin Beckmann. Die Albert Lepa-Plakette ist eine Ehrenauszeichnung des Landessportbundes für besondere Verdienste um den Sport, eine nicht alltäglich verliehene Auszeichnung. Lepa gilt als „Vater des Sportabzeichens“, er war unter anderem von 1955 bis 1983 Vorsitzender des Landessportbundes Niedersachsen. Im Namen des Regionssportbundes gratulierte Ernst ebenfalls und teilte mit, dass 300 Euro zur Anschaffung von Sportgeräten auf das Vereinskonto überwiesen wurden. Dazu hatte Ernst auch noch einen „ganz heißen Tipp“: „Wenn Sie dafür ein Sportgerät kaufen, dann bitte bei uns die Rechnung und den Überweisungsbeleg einreichen, dann gibt es wahrscheinlich Ende des Jahres noch mal 20 Prozent dazu“.

Gratulanten: Regionspräsident Hauke Jagau (links) und Bürgermeister Marc Lahmann.
Gratulanten: Regionspräsident Hauke Jagau (links) und Bürgermeister Marc Lahmann. Fotos: Bratke/Kasse

Beim Stichwort Hitler platz der Ballon

Die Knallerfrau des TSV Barsinghausen: Kerstin Beckmann, stellvertretende Vorsitzende. foto:kasse
Die Knallerfrau des TSV Barsinghausen: Kerstin Beckmann, stellvertretende Vorsitzende. foto:kasse

Der Rede von Dagmar Ernst vorangestellt war eine Zusammenfassung der Geschichte des TSV Barsinghausen, die aus der Feder der stellvertretenden Vorsitzenden Kerstin Beckmann stammte. Sie schlug den weiten Bogen von den Anfängen der Turnerbewegung unter „Turnvater Jahn“ bis hin zum heutigen TSV Barsinghausen. Die Turnbewegung ist eng mit der Nationalbewegung verbunden: Am 13. November 1810 gründete Jahn mit 11 Freunden in der Hasenheide bei Berlin den geheimen Deutschen Bund zur Befreiung und Einigung Deutschlands. Aus anfänglich ausgedehnten Wanderungen mit seiner Schülergruppe entwickelte sich schließllich regelmäßiges Turnen. Am 2. August 1891 leitete der junge Lehrer Bruno Marr in Barsinghausen die Gründungsversammlung des Vereins „Gut Heil“, dem Vorgängerverein des heutigen TSV Barsinghausen. Am 9. August traf man sich wieder, um den Vorstand zu wählen. Erster Vorsitzender des Vereins wurde der Schneidermeister Carl Köller, wie die Provinzial-Deister-Leine-Zeitung in der Ausgabe vom 11. August 1891 berichtete. Später wurde das offizielle Gründungsdatum auf eben diesen Tag, den 11. August 1891, gelegt – den Geburtstag des „Turnvaters Jahn“.

Kerstin Beckmann verstand es, neben den reinen Fakten zum Verein auch die gesellschaftliche und politische Entwicklung einzuweben. Im Jahre 1933 angekommen wurde ihr Vortrag mit einem ungeplanten Knalleffekt unterlegt. Genau in dem Moment, in dem die Rede auf Adolf Hitler kam, platzte lautstark einer der Luftballons, die die Tanz- und Gymnastikhalle des TSV Barsinghausen zierten (Audio 09:37). Besser hätte es kein Regisseur inszenieren können. Ein mahnendes Zeichen, das aktueller nicht sein könnte. Das hört man sich am besten selber an: Die Rede von Kerstin Beckmann zur Historie des TSV Barsinghausen gibt es hier:

Stehende Ovationen für Jörg Fischer

TSV-B-Jörg-Fischer
Ausnahmesportler: Schwimmspartenleiter Jörg Fischer, hier mit Ehefrau Cora, schwamm nach jahrelangem Training mal eben durch den Ärmelkanal. foto:kasse

Für eine außergewöhnliche sportliche Leistung wurde der Kirchdorfer Jörg Fischer mit stehen Ovationen geehrt. Der Leiter der Schwimmsparte des TSV Barsinghausen hat, wie berichtet, „mal eben“ den Ärmelkanal durchschwommen. Ohne Pause, ohne Hilfsmittel, einfach so. Damit hat sich Fischer nicht nur einen persönlichen Traum erfüllt, sondern auch den Namen des TSV Barsinghausen in die Welt getragen. Hier geht es zum Bericht

TSV-B-Ehrungen-Gruppe
Treue Mitglieder: Werner Fischer, Inge Schneider, Hans Moser, Irmtraud Schüddekopf, Klaus-Dieter Häussler und Georg Jentsch (von links) konnten ihre Auszeichnungen für Mitgliedschaften zwischen 50 und 70 Jahren persönlich entgegennehmen. foto:kasse

Die Jubiläumsveranstaltung bot auch den richtigen Rahmen, um besonders langjährige Mitglieder des TSV Barsinghausen zu ehren. Dazu gehören Elisabeth Knie und Irmtraut Schüddekopf, die dem Verein seit 50 Jahren treu verbunden sind. Bereits sechs Jahrzehnte Mitglied sind Inge Schneider, Sabine Mordfeld-Hünerberg, Georg Jentsch, Manfred Kramer, Klaus-Dieter Häussler und Hans Moser. Stolze 70 Jahre Mitglied ist Werner Fischer.

TSV-B-Ehrung-Ehrenamt-Klaus-Häußler
Klaus-Dieter Häussler von der Fußballsparte wurde für besonders langes ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet: Von links Klaus-Jürgen Dallmann, Laudator Heinz-Werner Gottlob, Klaus-Dieter Häussler und Kerstin Beckmann. Foto: Bratke
TSV-B-Martin-Ludwig
Neues Ehrenmitglied des TSV Barsinghausen ist Dr. Martin Ludwig, der den Verein von 1993 bis 2000 leitete und dem Vorstand mehr als eine Dekade lang angehörte: Von links Kerstin Beckmann, Laudator Lothar Brecht, Martin Ludwig und Klaus-Jürgen Dallmann. Foto: Bratke

Die Gäste der Feierstunde konnten sich übrigens eine ansprechend gestaltete Festzeitschrift mit nach Hause nehmen. Auf 34 Seiten gab es einen kompakten Überblick von den Wurzeln des Vereins bis hin zu den aktuellen Sparten. Für Layout und Gestaltung zeichnete einmal mehr  Heinz Schmidt verantwortlich, der sich schon seit vielen Jahren um die jährlichen Berichtshefte des TSV und vieles andere mehr kümmert. So war er es auch, der Satz und Layout der Chronik des TSV Barsinghausen übernahm, die zum 100-jährigen Bestehen des Vereins im Jahr 1991 herausgegeben wurde. Das Buch wurde anlässlich des 125-jährigen Jubiläums neu aufgelegt und ist in der Geschäftsstelle des TSV B erhältlich.

Sorgte für den richtigen Ton: Die Gruppe Canard Noir. foto:kasse
Sorgte für den richtigen Ton: Die Gruppe Le Canard Noir. foto:kasse
Ein Hoch auf 125 Jahre TSV Barsinghausen: Vereinsmitglieder und Gäste trafen sich zum Festakt in der Tanz- und Gymnastikhalle. foto:kasse
Ein Hoch auf 125 Jahre TSV Barsinghausen: Vereinsmitglieder und Gäste trafen sich zum Festakt in der Tanz- und Gymnastikhalle. foto:kasse

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein