Von der Freiheit – ein CD-Sampler und eine Star-Biographie

Deutschland hat gewählt. Sind die über zehn Prozent der AfD eine Absage an Werte wie Humanismus und Toleranz? Unmittelbar vor der Bundestagswahl erschien mit dem Sampler „Von der Freiheit“ eine passende musikalische Zusammenstellung, bei der sich 29 Bands und Künstler eben jenem Grundsatz des Grundgesetzes widmen. Bleibt abzuwarten, wie die Niedersachsen wählen…

Von Erk Bratke

GG Artikel 2,1: „Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.“

Bei der Doppel-CD „Von der Freiheit“ (Modul Entertainment GmbH / Universal Music) ist der Name Programm. Bei der Auswahl von Songs gab es keine stilistischen Scheren im Kopf – keine Hipster-Quote, kein Coolnessfaktor, kein Schielen auf hohe Streaming- oder Downloadzahlen. Die Wahl fiel auf Künstler, die zum Thema Freiheit etwas zu sagen haben. Es gab auch keine Regeln oder Grenzen dafür, welche Art von Freiheit besungen wird. Verständlich also, dass dadurch eine illustre Runde an höchst unterschiedlichen Acts Platz auf den beiden Silberlingen fand. „Ich mach mein Ding“ singt etwa Udo Lindenberg ganz egoistisch. Philipp Poisel untermauert, dass er „Für keine Kohle dieser Welt“ seine Freiheit aufgeben würde. Dagegen erinnern die Sportfreunde Stiller an ein Flüchtlingsdrama an einem „Dienstag im April“. Selbstverständlich sind BAPs „Wellenreiter“ und Söhne Mannheims „Freiheit“ mit von der Partie.

Autobiographisch: Sorab Jon Asar singt „Fahnenfluch. Foto: Christoph Eisenmenger
Autobiographisch: Sorab Jon Asar singt „Fahnenfluch. Foto: Christoph Eisenmenger

Meinungs- und Pressefreiheit, die Freiheit der Kunst und der Wissenschaft, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Versammlungsfreiheit und Berufsfreiheit – nicht nur politisch ist die Freiheit unser wichtigstes Gut. Auch persönlich fordern wir die Freiheit ständig ein. Freiheit ist mein Traum“ singt beispielsweise Sternekoch Nelson Müller im neuen Urban Soundgewand auf seinem extra für den Sampler produzierten Song, und drückt damit aus, was wir alle für uns in Anspruch nehmen wollen, aber nur selten leben können.

Interessant: Der Track „Fahnenfluch“ von dem afghanischen Flüchtling Sorab Jon Asar, der den Traum vom Freisein thematisiert, eine Heimat zu haben und nicht gefühlt seit 26 Jahren auf der Flucht zu sein. Wer außer den Genannten noch dabei ist: Revolverheld, Silbermond, Max Herre featuring Patrice & Fetsum, Matthias Schweighöfer, Lina Maly, Adel Tawil, Glasperlenspiel, Till Seifert, Gudrun Mittermeier, Max Giesinger, Tristan Brusch featuring Maeckes, Samuel Anthes, Johannes Falk, Loisach Marci, Tex featuring Phela, Niels Frevert, Kray!, George Garcia, Christina Stürmer, Alex Diehl, die Alin Coen Band und nicht zuletzt Laith Al-Deen, der quasi das Titelstück liefert: Sein „(Von der) Freiheit“ ist das aktuelle deutsche Remake von George Michaels „Freedom“ – womit wir beim nächsten Thema wären…

Zum Thema

Ob George Michael der letzte große Popstar war, kann verständlicherweise nur subjektiv beantwortet werden. Auch sein Hit „Freedom! ’90“ war zweifellos nicht sein erfolgreichster. Allerdings wurde der Song durch ein bahnbrechendes Musikvideo promotet, in dem er selbst gar nicht zu sehen war. „George hatte beschlossen, dass er das Spiel nicht mehr mitspielen wollte“, sagte Cindy Crawford 2017. Sie selbst, die Supermodels Campbell, Evangelista, Patitz und Turlington sowie fünf männliche Models spielten in dem Clip anstelle des Stars mit. Der Frage, ob der Song quasi eine Art Befreiung für George Michaels sein sollte, kann auch das Buch „George Michael / Die Poplegende 1963-2016“ (Hannibal-Verlag, von David Nolan, Übersetzung von Kirsten Borchardt, 144 Seiten, durchgehend farbig bebildert, ISBN 978-3-85445-627-8, Preis 29,99 Euro) nicht erschließen.

Aber eins ist dem Autor gelungen: eine warmherzige Würdigung von Michaels Leben und Werk. Üppig illustriert durch hochwertige Aufnahmen renommierter Fotografen schildert das Buch vor allem das große Dilemma des Sängers – nämlich voller Ehrgeiz in den Pop-Olymp zu Michael Jackson und Madonna aufsteigen zu wollen, aber gleichzeitig immer wieder mit dem eigenen Status als Star zu hadern. Er war der festen Überzeugung, dass seine Songs das einzig Wichtige seien – den Rummel um seine Person verstand er nie.

Am 25. Dezember 2016 starb George Michael völlig überraschend mit nur 53 Jahren an Herzversagen – ein Schock für Familie, Freunde und Fans. Mit seinen Songs hatte er einst den Soundtrack einer ganzen Generation geschaffen: Wer in den Achtzigern aufgewachsen war, konnte das Saxophon-Intro von „Careless Whisper“ pfeifen, kannte den „Jitterbug“ von „Whake Me Up Bevore You Go-Go“. Aber auch die heutige Generation wird dank „Last Christmas“ an jedem Jahresende „gewhammed“. Mit Wham! Vom Teenie-Idol gelang später der Übergang zum versierten Songwriter und Interpreten.

Seine ausdrucksstarke, warme Soulstimme verlieh seinen Balladen ebenso viel Gefühl und Intensität wie seinen dynamischen Dancefloor-Hymnen. „Freedom“, „Faith“ oder „I Want Your Sex“ avancierten zu Klassikern der Neunzigerjahre. Sein Publikum war erwachsen geworden. Michaels selbst auch? In seinen 33 Karrierejahren schuf er zwar unzählige Hits, machte aber ebenso viele Schlagzeilen. Ob es um Drogen ging, um bizarre Autounfälle oder aber die ewige Frage nach seiner sexuellen Orientierung – die Presse war ihm stets auf den Fersen. Von den echten Dramen in seinem Leben – wie beispielsweise dem Tod seines Partners Anselmo Feleppa 1993 – erfuhr die Öffentlichkeit allerdings oft erst viel später. Wie sich Privatleben und kreatives Schaffen aber tatsächlich gegenseitig bedingten, wird von David Nolan einfühlsam heraus gearbeitet.

Er zeigt die Poplegende als vielschichtige Persönlichkeit, seine Entwicklung vom jugendlichen Mädchenschwarm bis hin zum gereiften Superstar und modischen Trendsetter. Der Bildband dürfte  durch die edle Aufmachung und hochwertigen Fotos die treuen Anhänger bei der weiblichen sowie männlichen Klientel begeistern.

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