Namhafte Größen und junge Trendsetter liefern ab

Schau an, da melden sich doch eine ganze Reihe namhafter Größen, aber auch junge Trendsetter mit neuen Outputs zurück – gerade so, als ob die Sommerpause bestens für Studiowerkeleien geeignet gewesen wäre. Na ja, zumindest in heimischen Gefilden fand zwar die Pause, allerdings weitgehend ohne Sommer statt. Bemerkenswert: Gleich drei renommierte Blues-Gitarristen liefern tolle CD-Neuveröffentlichungen ab…

Von Erk Bratke

Kenny Wayne Shepherd / „Lay It On Down“ (Provogue / Mascot Label Group / Rough Trade): KWS war schon von Haus aus für Größeres bestimmt. Bereits in jungen Jahren fand er die Vinylsammlung seiner Familie inspirierend – sie reichte von Blues über Country, Rock, R’n’B, Funk und Gospel. Mit nur sieben Jahren begegnete er Stevie Ray Vaughan, was sein Leben verändern sollte, denn nur wenige Monate später begann er, sich selbst das Gitarrenspiel beizubringen. Mit 16 Jahren erhielt er seinen ersten Plattenvertrag und sein Debütalbum „Ledbetter Heights“, das sich millionenfach verkaufte, gilt bis heute als Visitenkarte seines gefühlvollen Spiels und seines ehrlichen Songwritings.

Mit seinem achten Studioalbum „Lay It On Down“ beweist der Gitarrist erneut, dass sein Fokus stets auf den Horizont gerichtet und er ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen ist. „Ich will mich nicht wiederholen, sondern immer etwas Neues ausprobieren. Jedes meiner Alben steht für Dinge in meinem Leben, die in genau diesem Moment wichtig für mich waren. Wie ein neues Kapitel in einem Buch“, sagt das Aushängeschild des modernen Blues. Modern allein deshalb, weil es für Shepherd kaum Genregrenzen gibt. Die Bandbreite der elf Tracks (inklusive einer Akustikversion des Titelstücks) ist enorm und macht das Album herrlich abwechslungsreich.

Dass Kenny Wayne schon in jungen Jahren die Rolling Stones und B. B. King supportete, unterstreicht seine Klasse. Insgesamt fünf Grammy-Notierungen ebenso. Zeitsprung: Im Januar 2017 ging Shepherd schließlich mit seiner Band in die Echophone Studios in Shrevport/Louisiana. Seine Mission: Es sollten die großartigsten Songs seiner Karriere werden, nicht mehr, nicht weniger. Jeder Song sollte für sich selbst stehen, sowohl die Musik als auch die Texte. Ein paar der Songs haben richtig Eier und rocken ziemlich hart, andere wiederum bestechen durch unwahrscheinlich schöne balladeske Emotionalität. Fazit: Das Gesamtergebnis ist herausragend.

Das neue Shepherd-Album chartete in Deutschland auf Platz 36; fast 20 Plätze besser als das Vorgängerwekr. Der Titelsong ist hier zu hören:

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Walter Trout / „We’re All In This Together“ (Provogue / Mascot Label Group / Rough Trade): Der gute Walter gilt als Herzstück der aktuellen Bluesrockszene. Respektiert von der alten Garde, verehrt von den Youngstern und hochgeschätzt von seinen Fans, denen er nach jedem Konzert die Hände schüttelt. Nach 50 Jahren im Business gilt er als der Leim, der die Bluesgemeinschaft zusammenhält. „Nur jemand wie Walter Trout hat die Vision, das Talent und das nötige mit Stars gespickte Adressbuch, um ein Projekt in der Größenordnung von „We’re All In This Together“ auf die Beine zu stellen“, kommentiert sein Label. Und Trout selbst gibt zu: „Es war ein ziemliches Stück Arbeit, dieses Album aufzunehmen. Zum Glück habe ich viele Freunde.“

Kann man wohl sagen! 14 Songs mit einer Spieldauer von knapp 70 Minuten und jeder einzelne Track mit einer anderen Bluesgröße besetzt. Walter Trout, eine wahnsinnig tolle Band und obendrein 14 großartige Künstler als Gastmusiker, die sich ordentlich Gehör verschaffen. Mit von der Partie sind Joe Bonamassa, Kenny Wayne Shepherd, John Mayall, Randy Bachman, Sonny Landreth, Mike Zito, Robben Ford, Warren Haynes, Eric Gales, Edgar Winter, John Nemeth, Jon Trout, Charlie Musselwhite und Joe Luis Walker. Logisch, dass das Album dadurch alle möglichen Spielarten erhält. Ein „who is who“ dieser Szene – sensationell!

Walter Trout gibt’s im Herbst auch live auf deutschen Bühnen zu erleben, unter anderen am 25. Oktober in der Blues Garage in Isernhagen. Einen Eindruck vom Album bekommt man mit dem Trailer:

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Jonny Lang / „Signs“ (Provogue / Mascot Label Group / Rough Trade): Aus dem gleichen Label-Stall kommt auch „Gitarrenwunderkind“ Jonny Lang – nach vierjähriger Studioabstinenz mit einem neuen Album am Start. Im Oktober führt ihn eine ausgiebige Tour quer durch Europa, darunter auch nach Hamburg. Kaum zu glauben, dass Jonny Lang mit gerade einmal 36 Jahren auf eine über 20-jährige Karriere zurückblicken kann. Mit 15 veröffentlichte er sein mit Platin ausgezeichnetes Debüt – ein Alter, in dem viele junge Leute erst damit beginnen, überhaupt ein Instrument zu spielen.

Lang ist aber nicht nur ein Ausnahmegitarrist, sondern obendrein ein erstklassiger Sänger mit reichlich Soul in der Stimme. Als Anspieltipps seien an dieser Stelle der Fast-Rocker „Last Man Standing“ und der bluesige Titeltrack „Signs“ genannt. Musikalische Leidenschaft pur – das dokumentieren beide Songs. Insgesamt enthält das Album Funk-, Rock- und Blueselemente und wird von Langs markantem Spiel, Gesang und Texten umrahmt. Letztere thematisieren unter anderem persönliche Stärke und Selbstbestimmung. „Einige der Songs sind zwar autobiographisch, doch mein Hauptziel lag darin, den Zuhörern den Weg zu vermitteln, den ich einst selbst gegangen bin“, sagt Lang selbst.

Shaman’s Harvest / „Red Hands Black Deeds“ (Mascot Records / Mascot Label Group / Rough Trade): Mit Spannung erwartet, denn Shaman’s Harvest haben schwierige Zeiten hinter sich. Unter anderem überstand man gemeinsam die Krebserkrankung des Sängers. Gegründet wurde die Band in Jefferson City/Missouri. Das erste Album „Last Call For Goose Creek“ erschien 1999, gefolgt von „Synergy“ (2002) und „March Of The Bastards“ (2006). Ihren Durchbruch feierten sie mit „Shine“ (2009) und dem Track „Dragonfly“, der seinerzeit hohe Chartplatzierungen erreichte. Der Erfolg ging mit ihrem Mascot-Debüt „Smokin‘ Hearts & Broken Guns“ (2014) weiter, das über 31 Millionen Mal gestreamt wurde.

Für das aktuelle Werk begannen Shaman’s Harvest – bestehend aus Nathan Hunt, Bassist Matt Fisher, Rhythmusgitarrist Josh Hamler, Leadgitarrist Derrick Shipp und Schlagzeuger Adam Zemanek – im November 2016 mit dem Songwriting, zur Zeit der US-Präsidentschaftswahl. So ist es kein Wunder, dass auf vielen Songs soziale und politische Untertöne zu hören sind. „Die Spannung auf dem Album spricht für sich. Man spürt diese dunkle Angst und das dumpfe, ungute Gefühl. Es reflektiert, was momentan in der Welt passiert“, meint Gitarrist Hamler.

Der Sound auf „Red Hands Black Deeds“ ist dunkler und vielschichtiger als das frühere Repertoire der Band. Allzu düster gerät die Szenerie dann aber doch nicht, denn es sind genügend knackig-frische Rocker enthalten. Befindet sich da etwa jemand auf der Spur der Kings Of Leon? Kann schon sein!

Mr. Hurley & The Pulveraffen / „Tortuga“ (Universal Music): Blöder Bandname, oder? Aber egal, so lustig piratig wie sie daher kommen, haben sie besonders viele Anhänger im Metal- und Düsterbereich. Aber auch Folk- und Mittelalter-Fans fühlen sich angesprochen. Auch das Wacken wurde schon bespielt und im Dezember geht’s gemeinsam mit Subway to Sally, Mono Inc. und Feuerschwanz auf Tour (am 28. Dezember in Bielefeld/Ringlokschuppen). Zuvor gibt’s eine alleinige „Tortuga“-Tournee, die unter anderen am 11. November im Faust/Hannover Station macht.

Wenn Mr. Hurley und seine Pulveraffen die Bühne betreten, ist eigentlich für jeden Geschmack etwas dabei. Auch auf ihrem nunmehr vierten Studioalbum verbinden sie tanzbare Folk-Kompositionen mit den wortwitzigen, selbstironischen Texten, die ihren „Grog’n’Roll“-Stil seit 2009 ausmachen. Feierwütig sollte man schon sein. Hier gibt’s was zum Einstimmen:

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Versengold / „Funkenflug“ (RCA / Sony Music): Gleiche Schublade und doch ganz anders als die vorgenannten Pulveraffen, weil die sieben Bremer Jungs weitaus mainstreamiger sind. Unverwechselbar, temperamentvoll und stets treibend ist ihr Folksound. Gleich nach Veröffentlichung bescherte das neue Album den bislang höchsten Charteinstieg für die Band. Verdienter Lohn wohl auch, weil die Jungs in den Sommermonaten republikweit alle erdenklichen Mittelalter-Festivals und verwandte Open Airs (Wacken, M’era Luna) bespielt haben.

„Funkenflug“ chartete jedenfalls in den Mediacontrol Charts auf Platz 2. Malte Hoyer, Sänger der Band, sagt dazu: „Wir sind sehr glücklich und freuen uns, dass wir mit unserem deutschen Folk stetig immer mehr begeisterte Hörer vor unsere Bühnen und in die Plattenläden ziehen. Ein herzliches Danke an alle unsere alten und neuen Fans und an unser ganzes Team.“

2015 machte die siebenköpfige Band erstmals auf sich aufmerksam. Jetzt sollte sie über den Status „Geheimtipp der deutschen Musikszene“ schon hinweg sein. Handgemacht, ehrlich und virtuos an Gitarre, Violine, Nyckelharpa, Bouzouki, Bass & Drums bringen Versengold das Publikum zum Mitsingen und Tanzen. Ruhigere Töne sind da eher selten. Nach der Open Air-Saison ist noch lange nicht Schluss. Im Oktober und November geht’s durch deutsche Clubs, unter anderen auch am 14. Oktober im Musikzentrum in Hannover.

Die zweite Single „Sang- und Klanglos“ ist hier zu sehen und hören:

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Schnelldurchlauf

Avi Benedi / „Loco“ (Njoy): Punktlandung! Ganz klar ein Sommeralbum, das allerdings auch nach  den diesjährigen Strandeinheiten sicherlich noch in den angesagten Discotheken zu hören sein wird.   Mit „Loco“ veröffentlichte das ansonsten weltweit agierende musikalischen Multitalent Avi Benedi das erste Album in spanischer Sprache – passend zu den lateinamerikanischen Einflüssen der Songs. Hörpobe hier:

https://soundcloud.com/njoy-media/sets/avi-benedi-album-preview/s-5xHUv

Robert Redweik / „Dein Vegas“ (Heimat 20150 / Timezone Records): Hm, ist das NDW in modernem Gewand? Oder ganz einfach Deutsch-Pop mit ’nem klein bisschen Dancefloor? Upps, tatsächlich schon das vierte Album des Münchener Popsängers und Songwriters. Die zwölf Songs (Spieldauer rund 42 Minuten) des neuen Werks setzen meist auf tanzbares Tempo, halten aber auch hier und da einfühlsam inne. In seinen Texten erzählt Robert Redweik vom Leben in allen Facetten und Farben, und zwar von Tag und Nacht – quasi wie eine Stadt, die niemals schläft. Insofern ist der Ansatz des Albumtitels „Dein Vegas“ ordentlich gewählt. Ob’s mit dem großen Durchbruch klappt – fraglich. Hier mal reinhören:

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Culcha Candela / „Feel Erfolg“ (Sony Music): „Baby, komm‘ mit auf die Piste. Ich halt‘ mich fest an deiner Hüfte“ – damit ist eigentlich alles gesagt. Party, Party und nochmal Party. Nicht ohne Grund, denn derzeit wird das 15-jährige Bandjubiläum gefeiert. Folglich gibt’s ein neues (das siebte) Studioalbum mit 15 neuen Songs. Obendrein wurde ein neuer Sound angekündigt, der sich bereits nach 2018 anhören soll. Na ja, sind halt unverkennbar die „Culchas“. Noch ein Textzitat: „Die Nacht ist vorbei – die Party noch lange nicht!“ Apropos: Mitfeiern geht, denn ab Oktober geht’s auf Tour. In Hannover steigt die Fete am 11. Oktober im Capitol.

 

Mr. Big / „Defying Gravity“ (Frontiers Music / Soulfood): In den Zeiten der großen Stadionrockbands waren auch Mr. Big eine superheiße Nummer (Megahit: „To Be With You“). Etliche Acts haben zwar überlebt, sind aber längst nicht mehr so angesagt wie in den 1980er-Jahren. Musikalisch liefern Eric Martin (leadvocals), Paul Gilbert (guitar, vocals), Billy Sheehan (bass, vocals) und Pat Torpey (drums, vocals) zwar immer noch Topleistungen ab, allein das Songwriting hat nicht mehr so ganz die Durchschlagskraft früherer Tage. Dennoch: Wem die Mucke früher gefallen hat, der wird auch mit dem aktuellen Werk zufrieden sein.

 

Cúig / „New Landscapes“ (Magnetic Music): Irland überrascht immer wieder mit blutjungen Talenten, die voll und ganz auf traditionelle Irish Folk Music setzen. „Cúig“ heißt auf Gälisch „fünf“ und ist somit für ein Quintett ein recht nahe liegender Name. Erstaunlich, dass die Jungs schon seit ihrem fünften Lebensjahr zusammenspielen – und das ist kaum mehr als zehn Jahre her. Dennoch ziehen jetzt schon zahlreiche bedeutende Musiker des Genres vor den Youngstern ihren Hut und betrachten sie als ebenbürtige Mitglieder ihrer Community. Und bei Livekonzerten sollen die Teenager begeisterte Zuhörer und tobende Säle hinterlassen. Zu überprüfen wäre dies beispielsweise am 11. November im Pavillon in Hannover, wo einmal mehr das traditonsreiche „Irish Folk Festival“ Station macht. Cúig sind ebenso am Start wie The Fusion Fighters, Socks In The Frying Pan und Emma Langford.

 

Sarah Lesch / Da draußen (Kick The Flame / Broken Silence/Finetunes): Sirene oder Chansonette? Ihre erste Platte nahm die Songpoetin noch in der „schmutzigen Küche“ auf und betitelte sie auch so. Ihr aktuelles Werk ist nun der Blick aus dem Fenster – auf eine Welt, die verrückt spielt. Leschs Texte sind poetisch und romantisch, gleichwohl aber auch scharfsinnig und rebellisch. Musikalisch mischt sie scheinbar mühelos Nuancen von Chanson, Jazz, Blues, Polka, Reggae und amerikanischem 60er-Folk. Dabei kommen Kontrabass, Schlagzeug, Percussion, Piano, Hammond, Harp, Trompete, Akkordeon und vieles mehr zum Einsatz. Zweifellos nicht jdermanns Sache, aber interessant.

Hörporbe des Titelstücks hier:

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