Gebäudebrüter sind auf künstliche Nistkästen angewiesen

Barsinghausen. Nein, ganz und gar nicht eklig muss das Reinigen von Mauersegler-Brutkästen sein. Nach den Worten von Naturschützerin Hannelore Owens gelten die Bewohner als saubere Gesellschaft, denn die Insassen verrichten ihre Toilettengänge außerhalb ihrer Behausung – schön für den Vogelnachwuchs und auch für die Reinigungskräfte, die jetzt einmal mehr an den Gebäuden in der Hans-Böckler-Straße und am Langenäcker im Einsatz waren.

Von Erk Bratke

Ortstermin in der Hans-Böckler-Straße 31. Das Wohnungsunternehmen Vonovia hat Großgerät aufbauen lassen. Über einen Steiger mit Liftkorb können Mitarbeiter der Firma FRG Hansa die unter dem Dachvorstand angebrachten Brutkästen erreichen und Rückstände beseitigen. „Die Gebäudebrüter sind auf diese künstlichen Nisthilfen angewiesen“, weiß Hannelore Owens. Die Naturschützerin bemüht sich seit etlichen Jahren um den Brutvögel-Artenschutz. Die Großreinigung der Immobilienfirma bezeichnet sie als vorbildlich.

Nach Aussagen des Naturschutzbundes Deutschland e.V.  (NABU) sei es weiterhin schlecht bestellt um die Brutvögel-Population in Deutschland, insbesondere um die kleineren, häufigeren Arten wie Schwalben, Stare, Sperlinge und eben Mauersegler. Owens: „Damit ist und bleibt der Gebäudebrüterschutz, insbesondere vor dem Hintergrund der Gebäudesanierungen, eines der wichtigsten Themen auf dem Gebiet des Artenschutzes in unserer Region.“

Die Immobilienfirma Vonovia (vormals Deutsche Annington) verfügt im genannten Barsinghäuser Wohnbereich über mehrere Gebäude mit insgesamt 387 Wohnungen. Am Langenäcker und in der Hans-Böckler-Straße sind fast 30 Nistkästen angebracht – und dies schon seit 2009. Ein Jahr zuvor waren weitreichende Gebäudesanierungen vorgenommen worden, unter anderem am Dachstuhl. Die dabei vorgefundenen natürlichen Niststellen wurden durch künstliche Kästen ersetzt und seitdem durch regelmäßige Säuberungen in Schuss gehalten.

Ab in den Sack: Tatjana Streletz von der Immobilienfirma Vonovia (links) und Naturschützerin Hannelore Owens freuen sich über die Reinigung der künstlichen Nistkästen.   Foto: Bratke
Ab in den Sack: Tatjana Streletz von der Immobilienfirma Vonovia (links) und Naturschützerin Hannelore Owens freuen sich über die Reinigung der künstlichen Nistkästen. Foto: Bratke

„Damit einhergehend können auch gleich die Dachrinnen gereinigt werden“, informiert Tatjana Streletz. Die stellvertretende Vonovia-Regionalleiterin in Hannover stieg selbst in den Liftkorb des Steigers ein, um sich im wahrsten Sinne des Wortes ein eigenes Bild zu machen. „Wir haben uns bereit erklärt, nach Sanierungsmaßnahmen an unseren Gebäuden, an denen Vögel brüten, nicht nur die natürlichen Nester durch künstliche zu ersetzen, wie es der Gesetzgeber vorschreibt, sondern diese auch turnusmäßig reinigen zu lassen“, erklärt Streletz das Ansinnen ihres Unternehmens. Werde nämlich genau dies vernachlässigt, würde der Ersatznistkasten zum Brüten nicht mehr angenommen werden. Sei das Nest voll mit Nistmaterialien oder gar verendeten Jungvögeln, die mangels genügend Nahrung oder aus anderen Gründen in den Kunstnistkästen sterben, würden sich keine neuen Bewohner finden, ergänzte Naturschützerin Owens.

„Daher ist es ein gutes Gefühl, wenn man auf Menschen und Firmen wie Vonovia trifft, denen der Schutz unserer Brutvögel, insbesondere der unter ‚Wohnungsnot‘ leidenden Gebäudebrüter wichtig ist“, freute sich Owens. „Natürlich wollen wir mit Veröffentlichungen in den Medien andere Wohnungsunternehmen, aber auch einzelne Hauseigentümer wachrütteln.“ Leider sei eine Resonanz in der Region bislang kaum vorhanden. Übrigens: Die nächsten Bewohner werden Ende April/Anfang Mai erwartet. „Die Brutzeit beginnt je nach Witterungslage“, weiß die Barsinghäuser Naturschützerin.

Reinigung in luftiger Höhe: Vonovia-Regionalleiterin Tatjana Streletz und Björn Pommerenke im Liftkorb.   Foto: Bratke
Reinigung in luftiger Höhe: Vonovia-Regionalleiterin Tatjana Streletz und Björn Pommerenke im Liftkorb. Foto: Bratke

Zum Thema

Der Rückgang von Gebäudebrütern, wie Mehl- und Rauchschwalbe, Mauersegler, Hausrotschwänzchen und Haussperling schreitet weiter fort. Deshalb sei es auch wichtig, sich für die Brutvögel in Deutschland einzusetzen. Es sei eine verkehrte Welt, erklärt der NABU, denn: „Während manche einst fast ausgestorbene Arten wie Kranich und Seeadler dank jahrzehntelangem Intensivschutz längst von der Roten Liste entlassen wurden, nehmen häufige Arten der ‚Normallandschaft‘ wie Schwalben, Pieper, Schnäpper und Stare deutlich ab.“ In Europa habe die Zahl der Vögel in 30 Jahren um rund 420 Millionen abgenommen. Es seien die kleinen, häufigen Arten, die immer weniger werden, sagt der NABU, und spricht dabei von einem Verlust von Millionen Sperlingen und Schwalben.

Laut NABU gehören Mehlschwalben und Mauersegler zu den Verlierern der „Stunde der Gartenvögel“. Mit Platz 11 und 12 setze sich der Abwärtstrend der vergangenen Jahre fort. Seit Beginn der Laien-Vogelzählung sei in den vergangenen zehn Jahren ein Rückgang um rund 45 Prozent beobachtet worden.

Im Nest: Der Mauersegler will geschützt sein.   Foto: Erlenbach
Im Nest: Der Mauersegler will geschützt sein. Foto: Erlenbach

Mauersegler sind typische Siedlungsvögel und brüten fast ausschließlich in Städten und Dörfern. Auch der NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann betont: „Ein Grund ist der Verlust von Brutplätzen an gedankenlos renovierten Häusern, wo zum Teil mutwillige und illegale Zerstörung von Nestern stattfindet.“ Darüber hinaus spiele auch der Rückgang an Fluginsektennahrung eine Rolle, ergänzt Lachmann. Wissenschaftler beobachten einen alarmierenden Rückgang von Fluginsekten in den vergangenen 15 Jahren.

Auch Mauersegler ernähren sich vom sogenannten Luftplankton, also von durch den Wind aus einem großen Einzugsgebiet in hohe Luftschichten verfrachteten und gleichmäßig verteilten Insekten. Für die gleiche Menge an Futter müssten sie nun viel weiter fliegen. Weniger Insekten gebe es durch die intensive und flächendeckende Verwendung von Insektengiften in der Landwirtschaft, teilweise aber auch in privaten Gärten und öffentlichen Grünanlagen, verdeutlicht der Experte. Vor diesem Hintergrund fordert der NABU eine echte ökologische Agrarreform und weniger Gift in der Landwirtschaft sowie ein Verzicht auf Gift im Garten.

Akrobat der Lüfte: Der Mauersegler gilt als wahrer Flugkünstler.   Foto: NABU
Akrobat der Lüfte: Der Mauersegler gilt als wahrer Flugkünstler. Foto: NABU

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