Mit „Sportlern aus dem Dorf“ zu überregionaler Popularität

Wennigsen. Mit ausnahmslos heimischen Aktiven zu überregionaler Popularität zu gelangen, das schafft kaum ein lokaler Sportverein. Der Leichtathletikabteilung des TSV Wennigsen gelingt dies stetig und nicht erst seit gestern. Frühes und intensives Spähen nach Talenten, qualifiziertes Training und ehrgeizige Ziele – das sind nur drei Begriffe, die in der Wennigser LA-Familie beherzigt werden. Anlässlich der Jahresabschlussfeier stand ein Hausbesuch an.

Von Erk Bratke

Der Jahresabschluss im weihnachtlichen Gewand hat bei der TSV-Leichtathletiksparte Tradition. Alljährlich gilt es, die Sportler und Mannschaft des Jahres zu küren und darüber hinaus die Bestenlisten des zu Ende gehenden Sportjahres für alle Vereinskollegen öffentlich zu machen. Klar, manchmal bleibt im Training allzu wenig Zeit zum gegenseitigen Austausch.

Spaß im Ehrenamt: Wennigsens LA-Chefin Heike Zündorf.
Spaß im Ehrenamt: Wennigsens LA-Chefin Heike Zündorf.

Zog es die LA-Familie in den zurückliegenden Jahren stets in die Gaststätte „Pinkenburg“, um Dankesworte zu sprechen und Auszeichnungen vorzunehmen, so hieß es diesmal quasi „back to the roots“ – zurück zu den Wurzeln. „Unsere Trainer hatten den Wunsch und die Idee für etwas Neues“, erklärte Leichtathletikchefin Heike Zündorf den Umzug der Veranstaltungsörtlichkeit. Vor voll besetzten Reihen trafen sich Aktive aller Altersgruppen nebst Eltern und Geschwistern in der Wennigser KGS-Sporthalle an der Argestorfer Straße – dort, wo die TSV-Ahtleten ihr Zuhause haben. Dort trainieren sie, sowohl in der Halle als auch auf der Freisportanlage.

Großer Vorteil dabei: Alle Trainingsgruppen konnten sich präsentieren und so lockerten kurzweilige Vorführungen den Jahresabschluss auf. Ein Mittel zum Zweck: So ganz nebenbei erhielten Eltern sogleich einen Einblick in das sportliche Tun ihrer Sprösslinge. Mittels Power-Point-Präsentation wurden zudem die zumeist auswärtigen Highlights des Jahres 2015 resümiert. Die Filmsequenzen unter dem Motto „Faszination Leichtathletik“ hatten junge Sportler selbst produziert. Obendrein ließ ein selbst errichtetes Büfett auch Gaumenfreuden nicht zu kurz kommen.

Ausgezeichnete Trainerarbeit: Lara Petrich, Simone Boog, Florian Sander, Ernest Radulian, Gert Deppe, Rosana Wiens und Paul Zimmermann (von links) verstehen sich als Team.
Ausgezeichnete Trainerarbeit: Lara Petrich, Simone Boog, Florian Sander, Ernest Radulian, Gert Deppe, Rosana Wiens und Paul Zimmermann (von links) verstehen sich als Team.

Abteilungsleiterin Zündorf übernahm die Moderation und stellte nacheinander die verschiedenen Trainingsgruppen und ihre Übungsleiter vor. Und Achtung: Aktuell nennt der TSV Wennigsen sieben Trainer sein Eigen, darunter fünf mit C-Lizenz ausgestattet. Während Ernest Radulian, Gert Deppe, Paul Zimmermann, Lara Petrich und Simone Boog zu den „alten Hasen“ gehören, stießen Rosana Wiens und Florian Sander erst frisch zu der Riege dazu. Als Aktive hatten die beiden „Youngster“ selbst schon für Furore gesorgt. Kürzlich traten sie an die Stelle von Trainerin Frauke Müller, die aus privaten Gründen ihr Engagement aufgeben musste. Wiens und Sander teilen sich die Trainingsgruppe der sechs- bis neunjährigen LA-Kids. Auch sie wollen die Trainerlizenz angehen.

Training in Verkleidung: Programmausschnitt der Trainingsgruppe von Simone Boog.
Training in Verkleidung: Programmausschnitt der Trainingsgruppe von Simone Boog.

Nach einem kleinen Ausschnitt aus dem Trainingsprogramm der Gruppen von Petrich und Boog forderten Wiens und Sander die Eltern der jüngsten Aktiven zum Mitmachen auf, genauer gesagt zum beliebten Schubkarrenrennen mit Mutter & Sohn oder Vater und Tochter. Die ließen sich nicht lange bitten und so ging es kurzerhand auf Pfiff durch die Halle. Dicken Applaus heimsten hierbei Monique Finke und ihr Filius Ben ein – sie waren die Schnellsten.

Mitmach-Aktion: Schubkarrenlauf in der Eltern-Kind-Konkurrenz – rechts die Sieger Monique und Ben Finke.
Mitmach-Aktion: Schubkarrenlauf in der Eltern-Kind-Konkurrenz – rechts die Sieger Monique und Ben Finke.

Es folgte der Höhepunkt der Präsentation: Trainer Paul Zimmermann, der die 16- bis 23-jährigen Top-Athleten im Sprint, Sprung und Mehrkampf anleitet, kündigte Jannik Boog an. Der U20-Junior hatte sich mit 1,90 Meter im Hochsprung auf Rang 2 der niedersächsischen Bestenliste gesprungen. Jetzt sollte er einen Test seiner Leistungen live vorführen. Die Anlage war aufgebaut, rhythmisches Klatschen als Stadionatmosphäre und Jannik lief an – sauber drüber. Boog demonstrierte sein Können eindrucksvoll. Die Einmeterachtzig schaffte er trotz eines verkürzten Anlaufes und in Turnschuhen, die sonst eher nicht das passgerechte Schuhwerk darstellen. „Herausragend“, kommentierte LA-Chefin Zündorf, während die Zuschauer applaudierten.

Apropos Applaus: Den erhielt (natürlich) auch Ernest Radulian. Die Wennigser Leichtathletik-Ikone ist trotz fortgeschrittenen Alters von mittlerweile 83 Jahren immer noch für die Talentsichtung und Trainingsinhalte zuständig. Beim „Lob der Athleten“ hieß es folgerichtig: „Ohne ihn wären wir nicht dort, wo wir sind!“ Auf die Frage, ob er denn mit den erzielten Leistungen des Jahres zufrieden sei, antwortete Radulian in seiner typischen Art und Weise: „100-prozentig nicht – aber ja, es geht.“

Ebenso typisch für den Alt-Trainer: Fein säuberlich, aber durch die ihm eigene Handschrift eher schwer lesbar, hatte er die Top-Leistungen der Athleten zu Papier und Aushang gebracht. Obenan stand zu lesen: „Unsere Athleten in den Deutschen Bestenlisten 2015“. Aufgeführt waren der 6. Platz der 3x1000m-Staffel der Männlichen U18-Jugend (8:14,95 Minuten) und der 7. Platz der 4x400m-Staffel der Männlichen U20-Jugend (3:26,85). Aus Niedersachsens Bestenliste waren drei 1. Plätze, vier 2. Plätze und vier 3. Plätze aufgelistet. Es folgten noch über 15 weitere Nennungen in der Top Ten der Landesliste. Radulian hatte aber auch an die jüngeren Athleten gedacht. Sie fanden sich in der Kreis-Bestenliste wieder (rund 20 Nennungen). Bravo!

Herausragend: Jannik Boog beim Hochsprung.
Herausragend: Jannik Boog beim Hochsprung.

Ob der erstaunlichen Leistungen fragt indes niemand mehr nach der LG Wennigsen/Bredenbeck. Die Gemeinschaft beider Clubs war zum Jahresende 2013 aufgekündigt worden. Den Schritt zur Eigenständigkeit haben die Wennigser nicht bereut. Mit 120 aktiven sowie etwa 30 passiven Mitgliedern ist die TSV-Sparte bestens aufgestellt. Manchmal ärgert es die Funktionäre und Trainer schon sehr, wie wenig die hervorragenden sportlichen Leistungen einerseits sowie das soziale Engagement im Jugendsport andererseits honoriert werde. „Ignoranz“, nennt es Heike Zündorf und schickt eine Schelte in Richtung der Kommune.

Dass dies keineswegs ein Einzelfall der Gemeinde Wennigsen darstelle, sondern auch in anderen Städten beobachtet werden könne, ist der Vorsitzenden bewusst. Dennoch lässt sie sich den Spaß am Ehrenamt nicht nehmen. „Uns gelingt diese Aufgabe vor allem wegen der überaus vertrauensvollen Zusammenarbeit von Vorstand und Trainerteam“, betont Zündorf. Lob und Dank richtet sie deshalb auch an ihre Vorstandskollegen Klaus Schwarzer (2. Vorsitzender), Susanne Herbst (Kassenwartin) und Jens Boog (Schriftführer).

Doch zurück zum Jahresabschluss, denn die Kür der „Sportler des Jahres 2015“ stand ja noch an. Alljährlich wählt das Trainerteam in den drei Kategorien „weiblich, männlich und Mannschaft“ jeweils einen Preisträger aus dem großen TSV-Fundus aus. Dadurch, dass nicht immer die beste Platzierung, sondern auch mal die größtmögliche Leistungssteigerung zu Rate gezogen wird, bleibt die Wahl spannend.

Zur „Sportlerin des Jahres“ wurde Johanna Wistokat bestimmt. Die W15-Athletin hatte sich dreimal in Niedersachsens Bestenliste platziert – über 2000 Meter (5:53,90 Minuten/Rang 3), über 3000 Meter (11:07,05/Rang 7) und über 800 Meter (2:23,97/Rang 8). Leider konnte die Gewinnerin ihre Trophäe nicht selbst in Empfang nehmen, da sie durch einen Kaderlehrgang verhindert war – was wiederum den Ehrgeiz der Wennigser Leichtathleten dokumentiert.

Sportler des Jahres: Leon Martin.
Sportler des Jahres: Leon Martin.

Ganz eng verlief die Wahl zum „Sportler des Jahren“. Leon Martin hatte hauchdünn die Nase vorn; er verwies seinen Vereinskameraden Jörn Kaiser auf Rang 2. U18-Junior Martin hatte nicht nur herausragende Platzierungen (darunter auch die der beiden Staffeln in der Deutschen Bestenliste) erreicht, sondern auch seine persönlichen Bestleistungen über 800 und 1500 Meter getoppt.

Zur „Mannschaft des Jahres“ wurden schlussendlich die herausragenden Staffel-Junioren bestimmt. Preise gab es für Leon Spitzenberg, Jörn Kaiser, Konrad Weber, Lennart Boog, und Denys Kravchenko. Unter anderem spurteten sich die vier Letztgenannten über 4×100 Meter (44,22) auf Platz 1 in Niedersachsens Bestenliste.

Mannschaft des Jahres: Jörn Kaiser, Konrad Weber, Lennart Boog, Leon Spitzenberg und Denys Kravchenko (von links). Fotos: Bratke
Mannschaft des Jahres: Jörn Kaiser, Konrad Weber, Lennart Boog, Leon Spitzenberg und Denys Kravchenko (von links). Fotos: Bratke

Stillstand dürfte es für die Wennigser Leichtathleten in den kommenden Tagen kaum geben, denn Training ist angesagt. Schließlich stehen für etliche Aktive schon Ende Januar die Hallenmeisterschaften an. Und dort wollen die „Sportler aus dem Dorf Wennigsen“ einmal mehr auch überregional für Furore sorgen.

Apropos: Überregional heißt beim TSV Wennigsen nicht selten auch international. Seit mehreren Jahren steht die Teilnahme an den „International Children’s Games“ (www.international-childrens-games.org) auf der Agenda. Im Juni 2015 war eine Delegation bei den Spielen in Alkmaar/Holland am Start. Ein Katzensprung gegenüber der anstehenden Neuauflage, die im Sommer 2016 in Chinese Taipei (Taiwan) ausgetragen werden soll. Trotz der riesigen Entfernung wollen die TSV-Leichtathleten wieder dabei sein. Die Planungen – dabei vor allem die Suche nach Sponsoren – haben bereits begonnen.

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