Barsinghausen/Hannover/Hameln. Er ist Deutscher Meister im Kickboxen, gleichfalls amtierender Europameister und – wenn es am 2. Dezember wunschgemäß läuft – auch wieder Weltmeister: Zaza, der mit bürgerlichem Namen Güney Artak heißt, 29 Jahre alt ist und aus Barsinghausen stammt. Selten genug, dass ein Sportler aus der Deisterstadt derart hochrangig zu Wettkämpfen antritt und somit Grund genug für einen DJ-Hausbesuch.
Von Erk Bratke
Lächeln für ein Foto? No way, niemals! „Das passt so gar nicht zum Image im Kampfsport“, sagt Güney Artak bei der Präsentation seiner glitzernden Titel-Trophäen. Verständlich – das wäre ja wie heulen nach einem blauen Auge. Fotosession und Interview: Zaza, so der Kampfname des Super-Schwergewichtlers, zeigt dabei unterschiedliche Gesichter. Einerseits den martialisch wirkenden Fighter sowie andererseits den freundlichen und höflichen Endzwanziger, der seit Mitte des Jahres in Hannovers Süden sesshaft ist.
Sympathisch ist der 29-Jährige, der rein äußerlich (aufgrund seiner Sportart) wie ein Furcht einflößender Outlaw daherkommt. Im Gespräch gibt er sich dagegen ruhig und besonnen, gleichwohl mit festen Standpunkten. Auch zeigt er oft ein Lächeln. Klischees im Sport – ja, die gibt es überall. „Die eine Sache ist Sport und damit Geschäft, die andere ist privat“, bekräftigt Güney beim Hausbesuch in seinem releativ frisch bezogenen Heim.
Am Deister in die Schule
Der 1,83 Meter große und 105 Kilogramm schwere Kampfsportler hat eine umfangreiche Barsinghäuser Geschichte. Nahezu lückenlos kann er sie erzählen. Gebürtig in Langenhagen kam er bereits mit zwei Jahren an den Deister, wo er zunächst in Göxe beheimatet war. Wenig später zog er mit seiner Familie nach Kirchdorf. Dem Kindergarten und der Astrid-Lindgren-Grundschule folgte die Lisa-Tetzner-Schule am Spalterhals sowie der spätere Besuch der BBS in Springe. Er lernte den Beruf der Fachkraft für Schutz und Sicherheit und war im Werkschutz von größeren Firmen tätig. Heute wirkt er als Dozent für eben jene Fachkräfte, ebenso als Fitness- und Kampfsporttrainer. Als Wettkampfsportler ist er quasi vereinslos, steht allerdings bei der World Boxing Union (WBU) unter Vertrag. Ferner steht sein Management Kety Box Promotion hinter ihm.
An seine Barsinghäuser Zeit scheint er sich gerne zu erinnern. „Viele werden mich noch kennen“, sagt er. Denn Güney nahm ganz bewusst am gesellschaftlichen Leben der Deisterstadt teil. Beispielsweise im Fußball: Von der G- bis zur B-Jugend kickte er beim TSV Kirchdorf und bei Basche United. Nebenher entdeckte er auch den Kampfsport für sich, mit dem er in der Judosparte des TSV Barsinghausen schon als kleiner Knirps begann. Später kam Kung Fu, das Boxen, Kickboxen und das spektakuläre Sanda (auch Sanshou/Kickboxen mit Würfen) hinzu. Auch heute trainiert er gelegentlich noch in Barsinghausen.
Mitarbeit im Integrationsrat und im Jugendparlament
Neben seinen sportlichen Aktivitäten war er 2012 im Integrationsrat Barsinghausen tätig. „Auch im Jugendparlament habe ich mit gearbeitet. Allerdings wollten die mich totz der meisten Stimmen nicht als Jugendbürgermeister haben“, schmunzelt Güney über die damalige Zeit. Indes blieb er dem Fußball bis heute treu, und zwar als Schiedsrichter für den SC Elite Hannover. „Mir geben sie immer die Problemspiele mit reichlich Migrationshintergrund. Wahrscheinlich weil sie wissen, dass ich das hinkriege. Bei mir herrscht immer Ruhe auf dem Platz. In der Auslegung bin ich eher großzügig, solange es fair bleibt“, erklärt der ehemalige Deisterstädter stolz. Nein, ein unbeschriebenes Blatt sei er wirklich nicht, ohne konkreter in seine „Jugendsünden“ einzusteigen. Man müsse eben daraus lernen.
Wegen der Ausbildung hatte Artak seine Barsinghäuser Heimat verlassen und war mit 18 Jahren nach Hannover gezogen. Etliche Kontakte blieben bestehen – die zur erweiterten Familie sowieso, was die Frage nach seinen Wurzeln aufwirft. „Ich bin ein Kurde aus der Türkei, habe allerdings nur den deutschen Pass“, bekräftigt er.
Zurück zum Kampfsport. Wer auf der Ebene von Artak Wettkämpfe bestreiten will, muss verständlicherweise danach leben. Bewusste Ernährung, das Achten auf den eigenen Körper, die dazugehörige Regeneration und natürlich reichlich Training. Güney trainiert regelmäßig sechsmal pro Woche und mindestens anderthalb Stunden, vor Wettkämpfen durchaus zweimal pro Tag. Sein Programm ist gesplittet und unterteilt sich in Kondition („die hole ich mir unter anderem auch als Fußball-Schiri“), Kraft-/Ausdauersport, Technik, Koordination und letztlich das Sparring. Klar, auch regelmäßige Dopingkontrollen sowie die medizinische Aufsicht gehören dazu.
Was macht denn nun die Faszination dieser – sagen wir mal – Quälerei für ihn aus? Ein Stück weit sei es Selbstverwirklichung. An Grenzen zu stoßen und über diese hinaus zu gehen. „Es ist schon unglaublich, welches Potenzial der menschliche Körper entfalten kann“, sagt Zaza. Schlussendlich sei es ein Mega-Gefühl in eine ausverkaufte Halle mit eigener Hymne einzulaufen und den Jubel des Publikums zu spüren. Klar, das kennen Sportler anderer Disziplinen auch.
Erste Wettkämpfe mit 16
Wettkämpfe bestreitet Zaza seit seinem 16. Lebensjahr. Mit Erfolg, wie nicht nur die aktuellen Meisterehren dokumentieren. In seiner Wettkampflaufbahn hat er bislang rund 120 Kämpfe unterschiedlicher Art bestritten. „Rund 100 Siege dürften es sein, und zwar überwiegend durch K.O.“, sagt der amtierende Europameister im Kickboxen K1 (das heißt inklusive Knietritte). Das brachte ihm auch den Beinamen „Schlachter“ ein. So gesehen wird für Samstag, 2. Dezember, auch zum „Schlachtfest“ eingeladen. „Ja, das hört sich schon sehr martialisch und brutal an – und ist es auch. Aber die Leute, die zu uns als Zuschauer kommen, wollen halt Blut sehen“, weiß Güney. Dem Vergleich, dass bei der Formel 1 für viele eben auch die Unfälle am interessantesten sind, stimmt er unumwunden zu.
Sein anstehender Kampf in der Hamelner Rattenfängerhalle hat eine Vorgeschichte. Schon im März 2017 traf er in Bremen auf seinen Gegner Martin Espenhahn aus Magdeburg. Damals wurde Zaza disqualifiziert. Jetzt sinnt er auf Revanche und will sich den WM-Titel im Super-Schwergewicht (90+ kg) zurückholen. Güney nennt es „Heimspiel“, in dem er seine Stärken voll ausspielen will. „Ich habe eine gute Deckung und absolute Nehmerqualitäten – auch bei harten Schlägen“, betont er. Vergessen sind vergangene Hand-, Fuß- und Knieverletzungen. „Und die Schwellungen um die Augen nach dem Kampf sind in unserem Sport halt normal.“
Das Event in Hameln mit mehreren Kämpfen unterschiedlicher Gewichtsklassen steigt ab 19 Uhr (Einlass 17 Uhr). Tickets gibt’s im Vorverkauf auch in Barsinghausen, und zwar bei MAM-Sport in der Osterstraße. Inhaber Onur Askin ist ein Familien- und Schulfreund. „Und er ist mein Ausstatter für die Klamotten“, ergänzt Güney Artak. Für das Jahr 2018 liegen bereits etliche Einladungen zu weiteren Wettkämpfen vor – aus der Türkei, aus Dubai und China zum Beispiel. Doch zunächst heißt es: Zaza – ein Barsinghäuser kämpft um den WM-Titel oder der Schlachter lädt zum „Schlachtfest“ ein.