Ein feiger Anschlag auf die Barsinghäuser Solidargemeinschaft

Barsinghausen. Unbekannte Täter haben, wie bereits kurz berichtet, in den frühen Morgenstunden des heutigen Sonnabends, 23. Januar, einen feigen Brandanschlag auf die im Bau befindliche Flüchtlingsunterkunft der Stadt an der Hannoverschen Straße verübt. In der Folge wurden ein Feuerwehrmann und eine Feuerwehrfrau im Einsatz verletzt. Da die Täter zudem Gasflaschen am Brandort deponierten, bestand akute Lebensgefahr für die Einsatzkräfte. Die Polizeidirektion Hannover spricht von einer „neuen Qualität“ in der Region, bisher habe es so einen Fall noch nicht gegeben. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund liegt nahe, die Polizei ermittelt aber „in alle Richtungen“.

Von Wolf Kasse

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Sind schockiert über den feigen Brandanschlag: Von links der Leitende Polizeidirektor Uwe Lange, der Erste Stadtrat Dr. Georg Robra und der stellvertretende Stadtbrandmeister Haning Schünhof. foto:kasse

Im neuen Sitzungssaal des Rathauses herrscht eine bedrückende Stille. Es ist 14 Uhr, rund sieben Stunden nach dem Brand. Vertreter der Verwaltung, der Feuerwehr, der Polizei und alle Fraktionsvorsitzenden haben sich eingefunden, um gemeinsam vor allem eines festzustellen: „Wir werden hier weiterhin im fraktionsübergreifenden Schulterschluss den Menschen Zuflucht gewähren!“

Der 1. Stadtrat Dr. Georg Robra ringt sichtlich um Fassung: „Ich verurteile diese Tat aufs Schärfste. Es ist abscheulich, mir fehlen die Worte“. Der stellvertretende Stadtbrandmeister Henning Schünhof beschreibt die Situation, der sich rund 50 Einsatzkräfte aus Barsinghausen und Großgoltern stellen mussten. Um 6:49 Uhr löste die Leitstelle Feueralarm aus. Die Schwerpunktwehr Barsinghausen rückte unter Leitung von Thomas Wagenlader aus. Der Neubau des Asylbewerberheims, in dem Ende März 48 Flüchtlinge eine Unterkunft bekommen sollten, ist stark verqualmt. Unter schwerem Atemschutz rücken drei Trupps vor, um die Lage im Genäude zu erkunden und die Brandbekämpfung einzuleiten. Was sie zu diesem Zeitpunkt nicht wissen: Mitten in dem brennenden Haufen Styropor liegt eine große Gasflasche mit angeschlossenem Brenner.

Die Einsatzkräfte öffnen Türen und Fenster, setzen Druckbelüfter ein, um den Qualm aus dem Gebäude zu bekommen. Dann müssen sie feststellen, dass auch im 1. Obergeschoss des Gebäudes Dämmmaterial brennt. Und auch hier liegt eine Gasflasche mitten in den Flammen. Die Gasflaschen werden zunächst mit Wasser gekühlt und dann vorsichtig aus dem Gebäude gebracht. Die Brandstifter hatten einen Bauconatiner aufgebrochen und die Flaschen dort entwendet. „Wären die Flaschen explodiert, hätte ein noch weitaus größerer Schaden entstehen können. Es bestand akute Lebensgefahr für unsere Einsatzkräfte“, unterstreicht Schünhof.

Die Einsatzleitung vor Ort ließ rechtzeitig Kameraden der Ortswehr Großgoltern nachalarmieren, um genügend Atemschutzträger vorzuhalten. Auch die Wärmebildkamera der Wehr Großgoltern kam zum Einsatz. Zusätzlich wurde der Gerätewagen Atemschutz aus Ronnenberg angefordert. Der bezog auf dem Gelände der Schwerpunktwehr Barsinghausen Stellung, um die Versorgung mit gefüllten Atemschutzflaschen sicherzustellen.

Nach rund einer Stunde wurde „Feuer aus“ gemeldet. Ein effektiver Einsatz, der trotzdem zwei Verletzte forderte. Ein Feuerwehrkamerad sei bei der Anfahrt auf glatter Straße ausgerutscht und gestürzt, eine Feuerwehrkameradin kam äußerst unglücklich zu Fall, als sie auf dem Gelände des Flüchtlingsheimes mit bereits umgeschnallter Atemluftflasche auf Glatteis ausrutschte und auf den Rücken stürzte. „Die Kameradin hat sich ins Krankenhaus begeben, wir hoffen alle, dass sie sich nicht ernsthaft verletzt hat“, so Schünhof.

Polizeidirektion übernimmt

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Hoher Sachschaden: Die Brandermittler haben das Gebäude zwar wieder freigegeben, doch es ist fraglich, ob es nicht aufgrund der Kontamination durch den Brandanschlag wieder abgerissen werden muss. foto:kasse

Die Ermittlungen der Polizei laufen auf Hochtouren, die Polizeidirektion Hannover (PD) nehme den Fall „sehr ernst“, wie der Leitende Polizeidirektor Uwe Lange den Funktionsträgern im Rathaus versicherte. Lange sprach von einer „neuen Qualität“, einen solchen Vorfall habe esim Zuständigkeitsbereich der PD Hannover bislang nicht gegeben. Zwar habe es schon einmal in einer Flüchtlingsunterkunft gebrannt, doch habe man dabei einen Pyromanen ohne fremdenfeindlichen Hintergrund als Täter ermitteln können. Die Polizei werde in Barsinghausen jetzt ganz genau hinsehen und in alle Richtungen ermitteln. Das Motiv sei noch unklar, ebenso wie die Frage, ob es sich um einen oder mehrere Täter handelt. Die Spurenlage zeige indes eindeutig, dass es sich um einen gezielten Anschlag handelt. Dafür spreche auch, dass der Baucontainer aufgebrochen und die dort befindlichen Gasflaschen für die Brandlegung benutzt worden seien. Bisher sei der Polizei keine rechte Szene in Barsinghausen bekannt, gleichwohl habe man die Ermittler vom Staatsschutz in die Ermittlungen einbezogen. Der Zentrale Kriminaldienst der PD Hannover wird die Ermittlungen führen. Zeugenhinweise werden über die Polizei Barsinghausen (05105/5230) an den ZKD weitergeleitet. Der Kriminaldauerdienst Hannover ist auch direkt unter 0511/109-5555 erreichbar.

Nach Angaben von Uwe Lange ist ein Sachschaden von über 100.000 Euro entstanden. Es sei zudem fraglich, ob das Gebäude überhaupt wieder instandgesetzt werden könne. Aufgrund der Kontamination sei es möglicherweise so nicht mehr nutzbar – und dann wäre das ein Fall für den Abrissbagger. Die Verwaltung muss nun prüfen, ob und in welchem Maße die Versicherung für den Brandschaden aufkommt. „Auf alle Fälle ist der Stadt durch diesen Brandanschlag ein erhablicher Schaden entstanden“, stellt Baudirektor Tobias Fischer fest.

Der Erste Stadtrat Dr. Robra dankte in seiner Eigenschaft als zuständiger Dezernent allen eingesetzten Feuerwehrkräften für ihre Arbeit und wünschte den beiden Verletzten baldige Genesung. Robra sagte, er sei sich mit Bürgermeister Marc Lahmann einig in der Auffassung, dass man sich von diesem Anschlag auf die Stadtgesellschaft nicht zurückwerfen lassen wolle. Im Gegenteil, man werde jetzt noch stärker denen entgegentreten, die sich gegen die Solidargemeinschaft stellen. „Wir lassen uns durch solche feigen Anschläge nicht auseinanderbringen“, stellte Robra fest. Dem schlossen sich alle Fraktionsvorsitzenden des Rates ohne Wenn und Aber an.

Hier die klare Ansage von Georg Robra im Original:

 

Die Evangelische Kirche Deutschlands hat eine aktuelle Stellungnahme zur Flüchtlingsthematik abgegeben. Den Originaltext gibt es hier: EKD Stellungnahme Flüchtlinge

 

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Stehen Schulter an Schulter gegen alle, die die Solidargemeinschaft aushebeln wollen: Von links Feuerwehr-Einsatzleiter Thomas Wagenlader, stellvertretender Stadtbrandmeister Henning Schünhof, Bernhard Klockow (FDP), Baudirektor Tobias Fischer, Peter Messing (SPD), Gerald Schroth (CDU), Ulrike Westphal (Grüne), Kerstin Beckmann (Aktiv für Barsinghausen), Dr. Roland Zieseniß (CDU), Polizeidirektor Uwe Lange, Markus Neugebauer (UWG) und Erster Stadtrat Dr. Georg Robra. foto:kasse