Stadtsparkasse bildet vorsorglich Reserven für „schwierige Zeiten“

Barsinghausen. Die anhaltende Niedrigzinsphase belastet die Ertragslage der Geldinstitute – und das wird sie voraussichtlich auch noch eine ganze Weile tun. Da macht auch die Stadtsparkasse Barsinghausen keine Ausnahme. Gleichwohl zeigten sich sowohl der Vorstandsvorsitzende Reinhard Meyer als auch seine Vorstandskollegin Britta Sander mit der geschäftlichen Entwicklung des Jahres 2015 zufrieden. Und das sah auch der Verwaltungsratsvorsitzende Dr. Roland Zieseniß so.

Von Wolf Kasse

Die wesentlichen Kennzahlen waren im letzten Jahr, verglichen mit 2014, leicht rückläufig. Die Bilanzsumme schrumpfte um 2,81 Prozent von 323 auf 314 Millionen Euro. Immerhin: Das Kreditvolumen erreichte mit 246 Millionen Euro annähernd das Vorjahresniveau (247 Millionen Euro). Das Einlagevermögen reduzierte sich um 1,2 Prozent von 250 auf aktuell 247 Millionen Euro. Am deutlichsten wird der Geschäftsverlauf beim Bilanzgewinn, der um 19,2 Prozent von 0,412 Millionen Euro auf 0,333 Millionen Euro absackte.

„Die aktuellen Herausforderungen für die Kreditwirtschaft, Stichworte seien hier die Niedrigzinsphase und die Regulatorik, stellen insbesondere für kleine Häuser Hürden dar, die schwer zu meistern sind“, erklärte Reinhard Meyer. „Wenn dann noch ein verändertes Kundenverhalten, Online-Wettbewerb und gut gemeinter, aber über das Ziel hinausgehender Verbraucherschutz verstärkt einsetzen, steht unser Geschäftsmodell unter Druck“, ergänzte der Vorstandsvorsitzende. Ein Beispiel zum Thema Verbraucherschutz: Hier gibt es beispielsweise eine neue Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Als wäre das nicht schon Wortungetüm genug, verbirgt sich dahinter nichts anderes als jede Menge zusätzlicher Papierkram. Ähnlich wie bei Wertpapiergeschäften müssen die Beraterinnen und Berater künftig viele Formulare zusätzlich ausfüllen, und ihre Kunden sollten diese auch lesen. Was aus Verbrauchersicht beispielsweise bei mehr oder weniger anonym arbeitenden (Online-)Banken noch Sinn machen mag, das belastet kleine Institute wie die Stadtsparkasse stark. Arbeitszeit und damit Geld wird gebunden, der Nutzen ist fraglich. „Unsere Mitarbeiter sind hochqualifiziert“, unterstreicht Vorstandsmitglied Britta Sander. Es gibt aber auch noch andere Folgen. So muss beispielsweise Marketingleiter Martin Wildhagen demnächst etliche Prospekte in den Müll werfen, nur weil jetzt ein Wort auf der Titelseite nicht mehr mit den neuen Richtlinien harmoniert.

Anlagenotstand

Die Liste der Regelwerke ist natürlich noch viel länger, doch zurück zur Bilanz. Insbesondere das „Abschmelzen“ der Bilanzsumme erscheint erklärungsbedürftig. Der Sparkassenvorstand führt dies auf einen „regelrechten Anlagenotstand“ zurück. Soll heißen, dass es derzeit für ein Kreditinstitut kaum möglich ist, rentierliche Anlagen bei einem vertretbaren Risiko zu kaufen. „Aus diesem Grund haben wir unsere Eigenanlagen gezielt zurückgeführt“, so Reinhard Meyer. Wenn die Bank also ihr eigenes Geld nicht gewinnbringend anlegen kann, was bleibt dann übrig? Die Stadtsparkasse erzielt ihre wesentlichen Erträge aus dem Zinsüberschuss, der sich aus der Differenz von Zinsertrag und Zinsaufwand errechnet. Man muss kein Mathegenie sein um nachvollziehen zu können, dass das vorherrschende Zinsniveau hier keine großartigen Gewinne verspricht. Deutlich macht das ein Blick zurück: In 2013 betrug der Zinsüberschuss noch 9,5 Millionen Euro, in 2014 reduzierte er sich auf 8,7 Millionen Euro und in 2015 nochmals auf 8,2 Millionen Euro. Der Aufwand für Personal-, Sach- und Verwaltungskosten reduzierte sich natürlich nicht in gleichem Maße, sondern er blieb fast konstant. „Letztendlich führte dies zu einem Betriebsergebnis vor Bewertung von 1,5 Millionen Euro, das sind zwei Millionen Euro weniger als 2013“, rechnet Meyer vor.

„Diese Entwicklung macht uns Sorgen, da wir aus dem Betriebsergebnis auch die Risiken des Kreditgeschäftes tragen und darüber hinaus unser Eigenkapital stärken müssen“, fasst Britta Sander zusammen. Die Stadtsparkasse reagiere darauf mit einem konsequenten Kosten- und Ertragsmanagement und versuche, Ertragsnachteile aufzufangen. Gleichwohl habe man durch die Bildung von Vorsorgereserven die Substanz verbessert, um „der absehbar schwierigen Zeit der kommenden Jahre aus einer guten Position begegnen zu können“, so Sander. Unterm Strich bleibt festzuhalten: Die Stadtsparkasse hat auch 2015 einen Überschuss erzielt, und der soll, wie in den Vorjahren, in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat dem Eigenkapital zugeführt werden.

Volle Terminkalender

Ein Grund, mit Optimismus in die Zukunft zu schauen, ist für Reinhard Meyer unter anderem die Entwicklung im Neukreditgeschäft: „Die Terminkalender unserer Kreditberater sind voll“. Für Meyer ein Zeichen für ein zwar beratungsintensives, aber positives Neugeschäft. In 2015 stiegen die Kreditzusagen immerhin um 40 Prozent von 16,7 auf 23,5 Millionen Euro. Die treibende Kraft waren dabei Unternehmen und Selbstständige, die kräftig investierten. Allein in diesem Bereich gab es einen Zuwachs von 67 Prozent auf 13,8 Millionen Euro.

Gestiegen ist auch die Nachfrage im privaten Wohnungsbau, was angesichts der günstigen Zinsen für Häuslebauer auch wenig verwundert. Hier kletterte die Kreditsumme, ausgehend von einem bereits hohen Vorjahresniveau, noch einmal um 10 Prozent auf 7,2 Millionen Euro. Parallel dazu hat sich das Immobiliencenter gut entwickelt, das Vermittlungsgeschäft wurde um 35 Prozent ausgeweitet. Auch für 2016 erwartet die Immobilienexpertin Carola Schoppa eine stabile Nachfrage.

Eine Auswirkung der aktuellen Zinssituation ist aber auch, dass Kreditnehmer verstärkt Sondertilgungen vornehmen. „Angesichts der Tatsache, dass für Geldanlagen kaum mehr attraktive Renditen zu erzielen sind, nutzten die Kunden der Stadtsparkasse vermehrt die Möglichkeit, Darlehen vorzeitig zurückzuzahlen. Daraus resultiert auch der Rückgang des gesamten Kreditvolumens um 0,7 Millionen Euro auf 246 Millionen Euro“, so Reinhard Meyer.

Der Notgroschen steht nicht hoch im Kurs

Im Laufe des Jahres 2014 hat der Sparkassenvorstand eine zunehmende Konsumbereitschaft seiner Kundschaft beobachtet – was dazu führte, dass die Kundeneinlagen um 2,9 Millionen Euro auf 247 Millionen Euro sanken. 2014 hatte es bei den „Verbindlichkeiten gegenüber Kunden“ noch ein Plus von 2,7 Prozent gegeben. Statt in wenig Ertrag versprechende Anlagen zu investieren, entschieden sich viele Kunden für den Einstieg in Fonds oder börsennotierte Wertpapiere. „Aus Sicht der Sparkasse betrachten wir diese Entwicklung mit einem weinenden und einem lachenden Auge“, so Reinhard Meyer. Auf der einen Seite würden die Geschäftskunden der Sparkasse von der hohen Konsumbereitschaft der Barsinghäuser profitieren, auf der anderen Seite sehe man aber die „Notgroschen“, also die Rücklagen für schlechte Zeiten, mehr und mehr schwinden. „Da schlagen schon zwei Herzen in unserer Brust“, meint der Sparkassendirektor. Er empfiehlt, trotz der fehlenden Verzinsung Rücklagen zu bilden. Die Sicherheit, im Fall der Fälle auf eine Reserve zurückgreifen zu können, werde in Zukunft an Bedeutung gewinnen, ist sich Meyer sicher. Indes sieht seine Vorstandkollegin Britta Sander auf absehbare Zeit keine Zinsumkehr. „Für die nächsten drei bis vier Jahre werden wir uns auf diesem niedrigen Niveau bewegen. Darüberhinausgehende Prognosen halte ich für unseriös“, so Sander.

Börse & Co.

Zusammen mit Partnern bietet die Stadtsparkasse Barsinghausen ihrer Kundschaft auch Zugang zu Geschäftsbereichen, in denen man selbst nicht direkt tätig ist. Dazu gehört der Aktienmarkt. Trotz der durch globale Krisen, Terror und Flüchtlingsströme extremen Berg- und Talfahrt der Aktienkurse stiegen die Wertpapierkäufe der Sparkassenkunden um 32 Prozent auf 11,3 Millionen Euro. Mit rund 6,7 Millionen Euro entfiel dabei der größte Anteil auf Investmentanlagen. Rund 38 Millionen Euro haben die Sparkassenkunden bislang in diesem Anlagesegment investiert. Das Bauspargeschäft erzielte knapp 9 Millionen Euro neues Bausparvolumen – offensichtlich wollen sich viele Kunden das günstige Zinsniveau für spätere Bauvorhaben konservieren. Ungebrochen hoch war auch die Nachfrage im Versicherungsgeschäft. Im letzten Jahr wurden Verträge im Wert von 2,4 Millionen Euro abgeschlossen. Über 2.600 Kunden der VGH mit mehr als 5.400 Verträgen werden derzeit von der sparkasseneigenen Versicherungsagentur betreut.

Digitale Sparkasse

Die Stadtsparkasse Barsinghausen ist sich ihrer Verantwortung bezüglich der Versorgung mit Finanzdienstleistungen bewusst – auch im digitalen Zeitalter. Das führt dazu, dass die Vertriebswege konsequent auf die sich verändernden Bedürfnisse der Kunden angepasst werden müssen. Rein statistisch betrachtet kommt ein Kunde mittlerweile nur noch einmal pro Jahr zur Beratung in die Geschäftsstelle, er nutzt aber 120 mal die Homepage und nahezu 200 mal die Sparkassen-App. Da ist es schon zwingend erforderlich, dass man hochwertige digitale Zugänge zu den Basisdienstleistungen bieten muss. Dazu wird demnächst die veraltete ISDN-Telefonanlage entsorgt und gegen eine zeitgemäße VoIP-Lösung ersetzt. Für 2017 ist auch eine neue „Internet-Filiale“ angekündigt, die ein Sparkassen-Dienstleister mit einer einheitlichen Oberfläche für alle Endgeräte konzipiert hat. Künftig wird es zudem möglich sein, via Video-Chat mit dem Sparkassenberater in Kontakt zu treten. Doch trotz aller technischer Finessen wird auch weiterhin der Service in der Hauptstelle und den Filialen von Angesicht zu Angesicht angeboten. Hier wurden lediglich die Geschäftszeiten entsprechend angepasst. Die Hauptstelle hat seit Jahresbeginn montags bis freitags durchgehend von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Der Beratungszeitraum wurde auf die Zeit von 8 bis 20 Uhr täglich ausgeweitet, ein Service, der sehr gut genutzt wird. „Die in der Stadtsparkasse eingeleiteten Veränderungsprozesse sind auf einem guten Weg. Der Aufbau des neuen BeratungsServiceCenters als zusätzlich auf multiplen Kanälen erreichbare Filiale wird von unseren Kunden sehr gut angenommen“, berichtet der Sparkassenvorstand.

 

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Jeder Mensch ist willkommen

„In engem Schulterschluss mit der Stadt Barsinghausen ermöglichen wir jedem neuen Mitbürger ein Girokonto zu eröffnen“, freut sich Reinhard Meyer. „Jeder soll die Chance erhalten, am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilzuhaben – unabhängig von der Lebenssituation und gleich welcher Staatsangehörigkeit“, unterstreicht der Vorstandsvorsitzende. Mit ihren beiden „Willkommenstagen“ im Herbst letzten Jahres war die Stadtsparkasse Barsinghausen eines der ersten Kreditinstitute in Deutschland, die diesen unbürokratischen Weg gegangen ist. Die Aktion sorgte bundesweit für Resonanz und hat mittlerweile zahlreiche Nachahmer gefunden. Aktuell werden bei der Stadtsparkasse Barsinghausen 275 Konten für Asylsuchende geführt.

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Gesellschaftliches Engagement

Auch wenn die Erträge sinken, vergisst die Stadtsparkasse ihren satzungsgemäßen Auftrag, die Stadt im Bereich der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Aufgaben zu unterstützen, nicht. Zahlreiche Vereine, Initiativen und Institutionen profitierten im vergangenen Jahr davon. Das Spenden- und Sponsoringvolumen betrug knapp 152.000 Euro. Knapp 32.000 Euro gingen in den Bereich Soziales, der Bereich Kunst & Kultur erhielt rund 24.000 Euro, der Sport bekam rund 28.000 Euro. Weitere rund 23.000 Euro flossen in den Bereich Bildung und der Standort Barsinghausen profitierte von gut 45.000 Euro. Seit vielen Jahren unterstützt die Stadtsparkasse zusammen mit der hauseigenen Stiftung der Stadtsparkasse verschiedenste Projekte und Veranstaltungen.

150 Jahre Stadtsparkasse

Aktuell ist die Stadtsparkasse Barsinghausen die zweitkleinste Sparkasse in Niedersachsen. Davon gibt es derzeit 45. Allerdings ist absehbar, dass die Stadtsparkasse Bad Sachsa, die nur etwa halb so groß ist wie die Stadtsparkasse Barsinghausen, nicht mehr allzu lange selbstständig tätig sein wird. Vor diesem Schicksal will der Sparkassenvorstand das Barsinghäuser Kreditinstitut mit allen Mitteln bewahren. „Wir haben hochmotivierte und leistungsfähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das ist unser Kapital für die Zukunft“, sagt Sparkassenchef Reinhard Meyer. Darum will er auch gar keinen Gedanken an Fusionen oder ähnliches verschwenden. Ziel des Vorstandes sei es, die Stadtsparkasse Barsinghausen in ihrer bestehenden Form zu erhalten, und damit auch die Vorteile für die Stadt Barsinghausen zu bewahren. „Auch wenn ich es sicher nicht mehr erlebe, die Stadtsparkasse soll es auch noch in 150 Jahren geben“, weist Meyer augenzwinkernd auf ein ganz besonderes bevorstehendes Ereignis hin. Am 23. Juli gibt es ein großes Sparkassenfest zum 150. Geburtstag der Institution. Dazu werden alle Türen und Tore (vermutlich mit Ausnahme des Tresors) geöffnet, alle Barsinghäuserinnen und Barsinghäuser sind eingeladen. In deutlich kleinerem Rahmen wird es zudem noch einen offiziellen Festakt geben, der am 1. September stattfinden wird. Die 104 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtsparkasse sparen sich dieses Jahr den Betriebsausflug und feiern stattdessen im August den Geburtstag ihres Hauses in einer internen Runde. Als Geburtstagskind darf man ja Wünsche äußern, die von Sparkassenvorstand Reinhard Meyer richten sich gleichermaßen an die „große Politik“ und die Bankenaufsicht: „Überlegtes Handeln und umsetzbare Pflichten – gerade für kleine Häuser“, das ist es, was dem Sparkassenvorstand am Herzen liegt. „Wir haben einfach nicht die gleichen personellen Kapazitäten für die regulatorischen Anforderungen wie die großen Institute und auch kein Verständnis für gedankliche Schnellschüsse wie die Begrenzung von Barzahlungen oder die Abschaffung der 500-Euro-Note“, unterstreicht Meyer.

SSK-2
Daumen hoch für die alte Dame: Vorstandsvorsitzender Reinhard Meyer, Vorstandsmitglied Britta Sander und Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Roland Zieseniß (von links) freuen sich auf das anstehende Fest zum 150. Geburtstag der Stadtsparkasse Barsinghausen. foto:kasse