Günter Weidemann – Ein ganzes Leben lang auf Glas gebaut

Barsinghausen. Es bedarf schon besonderer Verdienste, wenn sich der Rat der Stadt Barsinghausen einstimmig dazu entschließt, einem Mitbürger die Goldene Ehrennadel zu verleihen. Nach der Ehrenbürgerschaft ist das die zweithöchste Anerkennung, die die Stadt zu vergeben hat, und das tut sie nicht alle Tage. Zu Ehre wurde diese Auszeichnung am heutigen Montag, 1. Februar 2016, dem Unternehmer Günter Weidemann, Chef der weltweit erfolgreichen Schollglas-Gruppe, die ihren Hauptsitz seit 1973 in Barsinghausen hat.

Von Wolf Kasse

„Ich freue mich sehr, dass der Rat der Stadt Barsinghausen meinem Vorschlag einstimmig zugestimmt hat, Sie – sehr geehrter Herr Weidemann – aufgrund Ihrer Verdienste für die Stadt Barsinghausen mit der Goldenen Ehrennadel der Stadt Barsinghausen auszuzeichnen“, begrüßte Bürgermeister Marc Lahmann den Ehrengast auf dem Weingut Wichtringhausen. Zahlreiche Vertreter aus Politik und Wirtschaft waren der Einladung zur Feierstunde gefolgt, unter ihnen die beiden Barsinghäuser Ehrenbürger Dieter Lohmann und Karl Rothmund.

Weltweit erfolgreich: Günter Weidemann, Gründer der Schollglas-Gruppe. foto:kasse
Weltweit erfolgreich: Günter Weidemann, Gründer der Schollglas-Gruppe. foto:kasse

„Oft hilft ein Blick in die Vergangenheit, um die Gegenwart besser zu verstehen“, sagt Günter Weidemann in seinem Buch „Glasklar“. Verständnis für die Gegenwart, aber auch ein gehöriges Maß an Gespür für die Zukunft trugen dazu bei, dass Günter Weidemann durch die Gründung des Unternehmens Schollglas im Jahr 1969 ein international erfolgreiches Unternehmen aufbauen konnte. Seit 1973 konnte davon auch die Stadt Barsinghausen stark profitieren. Zunächst war die Firma in der Landstraße 89 ansässig, im Herbst 1975 fand der Umzug in die heutige Schollstraße statt. Seither wurde der Unternehmenssitz bereits zwei Mal erweitert. Die Schollglas-Gruppe beschäftigt heute mehr als 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 20 Standorten in mehreren Ländern. „Diese Erfolgsgeschichte ist ein herausragendes Beispiel des deutschen Mittelstandes“, stellte Marc Lahmann fest.

Weidemann und Schröder dj
Hoher Besuch in Barsinghausen: Im Juni 1994 empfängt Günter Weidemann (vorne links) Niedersachsens Ministerpräsidenten Gerhard Schröder. Im Bierzelt geht es später nicht so förmlich zu. Vier Jahre später ist Gerhard Schröder Bundeskanzler. 2005 endet Schröders Kanzlerschaft, während Günter Weidemann bis heute erfolgreich tätig ist.   foto:kasse

„Es macht uns in Barsinghausen stolz, einen solchen Arbeitgeber in unserer Stadt zu haben. Wie wichtig Ihnen die Menschen und deren Arbeitsplätze sind, haben Sie eindrucksvoll durch den Rückkauf Ihres Unternehmens im Jahr 2007 bewiesen. Im Rahmen der Neustrukturierung der Nachfolgeregelung hatten Sie sich ursprünglich zu einer Beteiligung eines Investors entschieden, der das Unternehmen Schollglas und die Arbeitsplätze nach Ihrem Ausscheiden sichern sollte. Dieser Partner verfolgte jedoch ab 2006 den Plan, das Unternehmen zu veräußern. Damit verbunden wäre die Schließung von Standorten, die Verlegung des Firmensitzes sowie ein großer Verlust von Arbeitsplätzen gewesen. Die Vernichtung Ihres Lebenswerkes und das Schicksal Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten Sie nicht hinnehmen“, blickte Marc Lahmann zurück. Trotz eines erheblichen finanziellen Verlustes kaufte Günter Weidemann die Anteile des Finanzinvestors zurück und verhinderte damit die Zerschlagung der Schollglas-Gruppe und den Verlust der Arbeitsplätze. „Sie sind somit ein herausragendes Beispiel dafür, dass auch in der heutigen Zeit Menschen und ein Lebenswerk mehr wert sind als reine finanzielle Aspekte. Hierfür möchte ich Ihnen meine Hochachtung ausdrücken“, sagte Bürgermeister Lahmann, bevor er Günter Weidemann die Goldene Ehrennadel ans Revers heftete.

Stehende Ovationen: Vertreter aus Politik und Wirtschaft gratulieren zur Ehrennadel. foto:kasse
Stehende Ovationen: Vertreter aus Politik und Wirtschaft gratulieren zur Ehrennadel. foto:kasse

Um die Arbeitsplätze sowie sein Lebenswerk nachhaltig zu sichern, gründete Günter Weidemann gemeinsam mit seiner Frau im Jahr 2010 die „Schollglas Stiftung Brigitte und Günter Weidemann“. Zweck der Stiftung ist die Erhaltung und Förderung der Schollglas-Gruppe, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Förderung und Aus- und Fortbildung junger Menschen sowie die Förderung naturwissenschaftlicher Studien in Forschung und Lehre. Durch diese Stiftung wurde eine optimale Nachfolgelösung gefunden, die eine nachhaltige Sicherung der Arbeitsplätze bedeutet.

Eine erste Stiftung, die „Weidemann-Stiftung“ wurde bereits im Jahr 1998 gegründet. Diese hat sich insbesondere der Förderung von Wissenschaft und Forschung vorwiegend auf dem Gebiet der Glasforschung und der Förderung von Kunst und Kultur verschrieben. Weiterhin fördert die Stiftung die Denkmalpflege, zum Beispiel die Sanierung des Hodlersaals des Rathauses Hannover im Jahr 2012. Ebenso werden begabte Studentinnen und Studenten durch die Vergabe von Stipendien unterstützt. Die Stiftung ist selbstlos tätig und verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Aber auch direkt in Barsinghausen unterstützt die Firma Schollglas eine Vielzahl von Projekten und Einrichtungen, wie beispielsweise den Trägerverein Lehrschwimmbecken der Adolf-Grimme-Schule.

Zur Person

Geboren und aufgewachsen ist Günter Weidemann in Hamburg. Nach der Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann im mittelständischen Flachglas-Großhandelsunternehmen Oscar Petterson wechselte er zu Hartmann & Schulze, damals die Nr. 1 im Flachglasgroßhandel. 1957 nahm er das Angebot der Firma Glasfischer in Hannover an: Hier wurde Weidemann mit nur 27 Jahren Geschäftsführer und baute mit großem Erfolg das Handelsgeschäft des Unternehmens deutschlandweit aus.

1969 machte sich Günter Weidemann selbstständig: Schollglas startete als Ein-Mann-Unternehmen und war ebenfalls schnell erfolgreich. „Weder die Glasindustrie noch der Handel erkannte zu jener Zeit, dass sich der Markt wandelte“, erinnert sich Weidemann. Neben dem Dreiklang „Glasindustrie – Handel – Handwerk“ taten sich neue Wege auf. Jetzt wurden nicht mehr nur unverglaste Fenster zur Baustelle geliefert, sondern sie wurden schon im Betrieb verglast. „Die Glasindustrie hielt an den alten Vertriebswegen fest. So konnte ich überregional die großen Fertighaushersteller beziehungsweise Fertigfensterhersteller direkt beliefern“, erzählt Weidemann lächelnd. Auch der Markt mit sogenannten Betonfenstern für Scheunen und Ställe und der Gewächshausbau boomte. In all diesen Branchen wurde das junge Unternehmen schnell Marktführer. Gleichzeitig baute Günter Weidemann ein umfangreiches DDR-Geschäft und etwas später Geschäftsbeziehungen in der damaligen CSSR, Ungarn und Polen auf.

Mit der Wende 1990 begann für Schollglas eine neue Ära: das Unternehmen blieb im Handel tätig, wurde aber außerdem Produzent und Glasveredler – seit 1990 mit Niederlassungen in Berlin, Leipzig und Zwickau und 1993 in Waren und Lübben.

 

Weidemann-mit-Ehrenbürgern
Eine ehrenvolle Runde: Von Links Ehrenbürger Karl Rothmund, Ehrennadel-Träger Günter Weidemann, die parlamentarische Staatssekretärin Maria Flachsbarth, Ehrenbürger Dieter Lohmann und Bürgermeister Marc Lahmann. foto:kasse

 

Klare Linie: Hier spricht Günter Weidemann über seine Beweggründe, dem Standort Barsinghausen treu zu bleiben. foto:kasse
Klare Linie: Hier spricht Günter Weidemann über seine Beweggründe, den Firmenstandort von Hannover nach Barsinghausen zu verlagern und ihm bis heute treu zu bleiben.  foto:kasse