Debütanten, Senkrechtstarter, Combacks und Traumerfüllungen

Alles neu macht der Mai, so heißt es. Nun ja, sicherlich nicht alles – aber musikalisch gesehen drehen sich in den letzten Tagen immerhin einige interessante Neuerscheinungen im Player. Ein ausgewähltes Quintett – starke Veröffentlichungen, an denen wir nicht vorbei kamen.

Von Erk Bratke

Jake Isaac / „Out Lives“ (Polydor / Island Records / Universal Music): Achtung, ein Neuling! Der Londoner mit karibischen Wurzeln soll dem Vernehmen nach einen Topplatz auf der Liste „Artist to watch 2017“ einnehmen. Mit seinem Song „Waiting Here“ glänzte Isaac bereits mit Streamingzahlen im zweistelligen Millionenbereich und machte sich europaweit einen Namen. Die erste Single „Long Road“ deutet quasi auf sein bisheriges musikalisches Schaffen hin – ein starker Song.

Apropos: Zuvor hatte Jake Isaac vier EPs als Multi-Instrumentalist nicht nur selbst eingespielt, sondern teilweise auch selbst veröffentlicht. Letztere verschaffte ihm neben einem Auftritt beim legendären Glastonbury Festival auch das Management von Elton John und Ed Sheeran – und einen Deal mit Universal Music in Deutschland.

Seine Musik und sein Sound sind vielfach beeinflusst. Anleihen bei Reggae, Soul und Funk sind hörbar. Im weitesten Sinne ist es freilich ein Pop-Album, manchmal etwas spartanisch instrumentiert, geprägt von einer ruhigen, warmen und ausdrucksstarken Stimme. Tanzbare Rhythmen wechseln mit balladesken Hymnen ab. Tracks wie „This War“ oder „One And Only“ haben durchaus das Zeug für kommende Sommerhits. Ach ja, und eine Tournee gibt’s im Mai auch. Nach Stuttgart, München, Leipzig und Berlin folgen zwei Gastspiele im Norden – Bremen/Tower Musikclub am 12. Mai und Hamburg//Knust am 16. Mai. Hier ist eine Hörprobe:

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Mando Diao / „Good Times“ (BMG / Warner): Alles andere als Neulinge sind Mando Diao. Drei Jahre nach dem letzten Output hat die schwedische Rockband den Reset-Knopf gedrückt. Die neuen zwölf Songs des mittlerweile achten Albums tragen in gewisser Weise das Motto „Zurück in die Zukunft“. Dabei hatten die befreundeten Musiker nach 19 gemeinsamen Jahren den Rückzug von Gustaf Norén (gutiar, vocals) zu verkraften.

Gustaf hatte die erfolgreiche Band in Freundschaft verlassen, um sich außerhalb der Musik anderen Projekten widmen zu können. „Das ging von ihm aus, er wollte dieses Leben nicht mehr führen“, wird der zentrale Frontmann und Songschreiber Björn Dixgard zitiert. An eine mögliche Auflösung der Band sei jedoch nie gedacht worden. Der MD-Mastermind mit der markanten Stimme sagt dazu: „Wir lieben diese Band. Sie ist für uns wie eine große Familie. Weiterzumachen war für uns die einfachste Entscheidung der Welt.“

Angefangen hat „Good Times“ in einer kleinen Hütte auf der Insel Gotland. Die gute Stimmung in der Band sorgte für neue Ideen. Das Quintett konnte sich von den beiden Alben davor lösen. Kein Konzept, einfach nur rauer, groovender Rock, in dem sich auch ein melancholisches Klavierstück wie „Break Us“ nahtlos einfügen kann. Alles ist möglich. Nichts muss. So sind Rock-Puristen unter den Hörern zum Blick über den Tellerrand gezwungen. Die Stücke klingen so ehrlich wie in der Anfangszeit. Mit jedem Riff und Beat spürt man die Dynamik einer Band, die ihren alten Sound im neuen Gewand gefunden hat. Dabei wird vor Funk und Soul ebenso wenig Halt gemacht wie vor Dancefloor und Disco.

Neuanfang: Mando Diao kehren zu ihren Wurzeln zurück. Foto: Charli ljung

Klar, vieles erinnert an die Zeit des Welthits „Dance With Somebody“. Gut so, denn insgesamt ist es ein tolles neues Album geworden, das eine Dreiviertelstunde lang gute Laune versprüht. Insofern sind der Albumtitel „Good Times“ und auch die Wahl der ersten Single „Shake“ gar trefflich gewählt.

Bleeker / „Erase You“ (Five Seven Music): Wie jetzt, Boss Hoss, nur härter? Nein, nicht wirklich ernst gemeint, auch wenn sich der Start des Albums und der ersten Single „Highway“ ähnlich anhört. Mit „Where’s Your Money“ veröffentlichten Bleeker die vielversprechende zweite Single ihres aktuellen Albums. Auch dieser Song ist eine gesunde Mischung aus Rock, Pop und Alternative und fügt sich perfekt in die restlichen Songs des Albums sowie den generellen Sound von Bleeker ein.

Musikalisch besticht der Song wie viele anderen Tracks des Silberlings vor allem durch seine unverkennbare Hookline sowie das prägnante Gitarrenriff, welches sich druckvoll durch den gesamten Song schmirgelt und dabei prächtig durch die durchdringende Falsett-Stimme von Sänger Taylor Perkins unterstützt wird. Wer es ein wenig ruhiger mag, dem dürfte das Pop-Liedchen „I’m Not Laughing Now“ gefallen.

Starker Dreier: Bleeker sind auf einem guten Weg.

Insgesamt läuft es hervorragend für die Band: In ihrer Heimat Kanada waren Bleeker bereits für den prestigeträchtigen Juno Award in der Kategorie „Breakthrough Group Of The Year“ 2017 nominiert. Und auf Spotify konnte das Trio schon über fünf Millionen Streams generieren – ihre erste Single „Highway“ war in den Staaten und Kanada ein Riesen-Hit. Komisch, dass unsere heimischen Radiostationen davon so gut wie nicht mitgekriegt haben. Hörprobe:

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Quinn Sullivan / „Midnight Highway“ (Provogue / Mascot Label Group / Rough Trade): „While my guitar gently weeps“ – genau! Es ist der reine Wahnsinn, was dieser erst 17-jährige Junge an der Gitarre raushaut. So gesehen hat er völlig zu Recht auch den erwähnten George Harrison-Song mit auf sein Album gepackt und den Beatles-Hit erstklassig und so nah wie möglich am Original interpretiert.

Lassen wir zunächst die Label-Presse sprechen, denn darin sind große Worte über den jungen Mann gelungen: „Quinn Sullivan verbrachte bereits 75 Prozent seines Lebens als professioneller Musiker. Er teilte die Bühne mit Buddy Guy, Eric Clapton, Los Lobos, The Roots, Derek Trucks & Susan Tedeschi und Joe Bonamassa. Für B.B. King, der ihn später auf seiner legendären Gitarre ‚Lucille‘ spielen ließ, eröffnete er mehrere Konzerte. Er gastierte in den USA auf Festivals sowie in geschichtsreichen Venues wie dem Hollywood Bowl, dem RFK-Stadion und dem Madison Square Garden. Auf der anderen Seite des Großen Teichs trat er beim Montreux Jazz Festival und Mahindra Blues Festival in Indien auf. Mehrere Male wurde er bei der „Experience Jimi Hendrix“-Tour von dessen früheren Bassisten Billy Cox unterstützt.“ Für eine gerade mal zehnjährige Karriere ist das eine beeindruckend amtliche Leistung.

Als Pimpf und als heutiger Teenager: Quinn Sullivan. Fotos: Chuck Lanza

Noch nicht volljährig und trotzdem schon das dritte Studioalbum am Start. „Midnight Highway“ wurde vom Grammygewinner Tom Hambridge produziert, der für Sullivan sowohl im Studio als auch auf Tour als Schlagzeuger fungiert. „Ich wollte testen, wie weit ich musikalisch auf diesem Album gehen kann“, wird der Teenager zitiert. „Diesmal hatte ich viel mehr kreativen Input und war aktiver beim Schreiben. Ich wollte mich zwar nicht komplett vom Blues entfernen, denn der ist meine musikalische Heimat, aber mich dennoch weiterentwickeln. Meine Stimme ist durch das viele touren und einen Gesangslehrer ebenfalls viel besser geworden. Als ich in den Stimmbruch kam, war sie mir eher peinlich, doch es gefällt mir, wie sie sich inzwischen entwickelt hat.“

Doch sein Hauptziel war es, sich auch als Songwriter zu verbessern. Und auch dies ist ihm gelungen. Blues-Puristen müssen möglicherweise hier und da weghören, denn der Youngster aus Massachussetts blickt durchaus über den Tellerrand hinaus. Akustisch Balladeskes, Pop-Songs und Rock-Nummern machen das Album abwechslungsreich. Insgesamt ein wahrer Ohrenschmaus!

Hörproben: Der erste Track aus dem Album „Midnight Highway”:

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Das Teaservideo zeigt Quinn Sullivan auch schon als Pimpf an der Gitarre:

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Danny Bryant / „Big“ (Jazzhaus Records / In-Akustik): Bleiben wir doch beim Blues und sprechen über ein weiteres Hammer-Album. Dabei erfüllte sich der britische Blues-Gitarrist und Sänger selbst einen Traum, der ihn Beginn seiner Karriere begleitet. Seine Songs mit einer neunköpfigen Bigband ungeschminkt vor Publikum aufzunehmen, wurde in die Realität umgesetzt. Hörer, die auf einen Mix von Blues, R&B und klassischen Hardrock stehen, dürften bei dieser Doppel-Live-CD ebenfalls von einem traumhaft gelungenen Werk sprechen.

Bryant präsentierte umarrangierte Titel seiner drei Studioalben „Hurricane“, „Temperature Rising“ und „Blood Money“, sowie einige Live-Premieren und Blues-Klassiker. Unterstützt durch Keyboards, Bass, Schlagzeug, Rhythmus-Gitarre und einer vollen vierköpfigen Bläsersektion ergab sich so eine hochspannende Mischung an Songs mit reichlich Abwechselung und Riesen-Stimmung. Der Mitschnitt erfolgte im April 2017 mit drei Bigbands-Shows in Belfast, Edinburgh und London.

Danny Bryant dazu: „Die Aufnahme dieses speziellen Live-Projektes war eine echte Herzensangelegenheit für mich. Ich habe lange davon geträumt meine Songs im Kontext einer Big-Band-Besetzung zu hören. Jeder in der Band fügte sich so perfekt ein und die drei Shows, die wir aufgenommen haben, gehören zu denen, die ich in meiner Karriere am meisten genossen habe. Ich kann ehrlich sagen, dass ich auf dieses Album stolzer bin, als auf alles andere, was ich zuvor gemacht habe.“ Dem gibt es nichts hinzuzufügen.

Bigband-Sound: Blues-Gitarrist und Sänger Danny Bryant erfüllte sich einen Traum.

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