Das Gesicht der deutschen Katastrophenhilfe

 

Ein Mann, der etwas zu sagen hatte: Rupert Neudeck (links) bei seinem Besuch in Barsinghausen Ende April letzten Jahres. foto:kasse
Ein Mann, der etwas zu sagen hatte: Rupert Neudeck (links) bei seinem Besuch in Barsinghausen Ende April letzten Jahres. foto:kasse

Barsinghausen. Rupert Neudeck „hat der deutschen Katastrophenhilfe ein Gesicht und den Opfern eine Stimme gegeben“, so formulierte es Bundespräsident Joachim Gauck in einem Schreiben an die Witwe des Mannes, dem das Schicksal der Menschen in den Krisengebieten dieser Welt stets ein außergewöhnlich großes Anliegen war. So groß, dass er sein ganzes eigenes Leben in den Dienst dieser Menschen stellte. Tausende von ihnen verdanken seiner Initiative ihr Leben. Vor einem Jahr, am 27. April 2015, war Rupert Neudeck zu Gast in Barsinghausen und begeisterte mit seinem Engagement viele Menschen, die ihm in den Räumen der Petrusgemeinde gebannt an den Lippen hingen. Rupert Neudeck verstarb am Dienstag, 31. Mai 2016, im Alter von 77 Jahren.

Von Wolf Kasse

Das Schicksal vietnamesischer Bootsflüchtlinge erschütterte 1979 die Welt. Rupert Neudeck ließ das keine Ruhe, er beschloss zu handeln. Er gründete mit seiner Frau Christel, dem Schriftsteller Heinrich Böll und weiteren Freunden das Komitee „Ein Schiff für Vietnam“. Daraus ging später das Komitee „Cap Anamur/Deutsche Notärzte“ hervor. Zwischen 1979 und 1982 wurden durch die Initiative Neudecks und seiner Mitstreiter mehr als 11.000 Menschen aus dem chinesischen Meer gerettet. Dafür charterten sie den Frachter Cap Anamur. Die Geschichte der Cap Anamur und das Schicksal der „Boat People“ gingen um die Welt, wurden zum Synonym der Flüchtlingshilfe schlechthin.

Im Gespräch: Rupert Neudeck (links) und Dr. Wilhelm Wortmann. foto:kasse
Im Gespräch: Rupert Neudeck (links) und Dr. Wilhelm Wortmann. foto:kasse

Für Rupert Neudeck war das der Beginn einer Lebensaufgabe. Er gründete 2003 die Organisation „Grünhelme“, die junge Muslime und Christen für gemeinsame Aufbauprojekte in Afghanistan oder anderen armen Ländern gewinnen will. Wer könnte die Beweggründe für sein bedingungsloses Engagement besser beschreiben als Rupert Neudeck selbst? Im Gespräch mit den Barsinghäusern, moderiert von Dr. Wilhelm Wortmann und Pastor Friedhelm Feldkamp, gab Neudeck einen Einblick in seine Welt, sprach über die Dinge, die ihm eine Herzensangelegenheit waren. Mehr als Gedächtnisstütze gedacht, hatte ich an diesem Abend meinen Audiorekorder eingeschaltet. So entstand ein Tondokument, das durch den unerwarteten Tod von Rupert Neudeck zu einem Stück Barsinghäuser Zeitgeschichte geworden ist. Auch wenn die Tonqualität teilweise nicht die Beste ist, so kann man beim Anhören der Aufzeichnung doch noch einmal nacherleben, wie Rupert Neudeck dachte und fühlte. Für mich war Rupert Neudeck, der ab Anfang der 1970-er Jahre auch als Journalist arbeitete, ein Leben lang ein großes Vorbild. Ich bin sehr froh, ihn kennengelernt zu haben.

Rupert Neudeck im Gespräch mit Barsinghäuser Bürgern über die Anfänge von den vietnamesischen Boat people bis hin zur aktuellen Flüchtlingslage