
Barsinghausen. Stationswechsel – von Egestorf nach Lille, weiter nach Bordeaux und retour Richtung Paris. Landschaft und Kultur, dann ein maues Deutschland-Spiel gegen Polen, aber auch Riesenstimmung beim Live-Erlebnis Belgien gegen Irland, zwischendurch Interviews für ein UEFA-Filmteam und nette Auslandskontakte sowie schlussendlich der Gruppensieg im Pariser Prinzenpark – die fünf Egestorfer, die das DEISTER JOURNAL auf ihrem EM-Abenteuer in „Fronkreisch“ begleitet, nehmen alles mit, was sich so anbietet. Hier ist Teil 3 der Berichtsetappe.
Von Erk Bratke
Geschafft! Das 1:0 über das wacker kämpfende Nordirland bringt der DFB-Elf den Gruppensieg. Auch die Egestorfer EM-Fahrer haben es geschafft: Die letzte Station heißt Pariser Prinzenpark. Das Quintett vom Deister ist live dabei, als Mario Gomez diesen erlösenden Treffer markiert. Zwischenzeitlich war an den Tagen zuvor viel passiert – doch wo waren wir stehen geblieben?

Lille: Die Straßen sind leer, die Fan-Meile ist nun eine ganz normale Kreisstraße. Auch die fünf Barsinghäuser hatten ihre Zelte abgebrochen, um per Wohnmobil das nächste Ziel anzusteuern. Es geht in Richtung des französischen Südwestens – Bordeaux. Burkhard fährt den Van. Er hat die meiste Erfahrung, da er bereits in den zurückliegenden Jahren mit seinem Bruder einen 30-Tonner sicher durch Frankreich gesteuert hat. Entlang von Seine und Loire wird am zweiten Tag der Campingplatz „Pyla de Dune“ erreicht. „Jens lag die gesamte Fahrt in der Koje und verpasste die Aussicht auf die schöne Landschaft. Hatte aber auch Vorteile, denn so konnte Burkhard auch ohne gute Ratschläge den Weg nach Bordeaux finden“, verpasst Berichterstatter Micha einen passenden Seitenhieb.

Ankunft. Das Wetter ist bedeckt bei 16 Grad. Der Van wird schnell geparkt, denn der Fünfer will schnellstmöglich zum Strand. Der Anblick des Atlantiks ist gewaltig. Über einen schmalen Pfad geht’s über die „La Dune de Pyla“ zum Strand. Abends fallen alle total erschöpft in ihre Betten. Burkhard schläft wie immer outdoor auf seinem Feldbett und ruft laut „Nacht, Jens“. Wie aus einer Kehle rufen alle zurück: „Gute Nacht, John Boy“.

Am nächsten Tag überschlagen sich die Ereignisse. Das Wetter ist gut bei angenehmen 20 Grad. Ein Strandgang ist fällig. „Dort treffen wir Petra und Lian. Die beiden sind von einem UEFA-Filmteam und wollen einen Spot über die Fankultur am Rande der EM drehen. War es pure Verzweiflung oder sah unser Jens so sympathisch aus? Wir wissen es nicht, jedenfalls wollten die beiden mit uns einen Spot drehen“, erklärt Micha.

Nach einem Aufgalopp am Strand – die Szene wurde 15-fach wiederholt – folgen zwei Interviews mit Jens und den beiden Hamburger Brüdern, Todda und Dicker. Danach wird am Strand Fußball gespielt. Österreicher, Belgier, Iren und Deutsche kicken in gemischten Mannschaften etwa 15 Minuten Strandfußball. Länderspiel-Atmosphäre auf Altherrenebene. „Trotz einer alten Verletzung, Fußwurzelverdrehung und Sodbrennen im linken Oberschenkel ließ unser altes Sturm-Ass Jens noch einmal seine Klasse aufblitzen und schoss seine Mannschaft zum Sieg“, berichtet Sportreporter Micha. „Dafür wollte er im Anschluss die Düne hoch getragen werden, was allerdings von allen verweigert wurde.“
Micha: „Petra und Lian wurden von uns noch zum Grillen eingeladen und gaben uns zu verstehen, dass der Film-Clip nicht unbedingt von der UEFA gesendet werde. Aber nach Fertigstellung würden wir einen Internet-Link erhalten, um das Kunstwerk begutachten zu können.“ Dann wieder das nächtliche Ritual „Nacht, Jens“ und „Gute Nacht, John Boy“.

Am nächsten Tag gießt es wie aus Eimern. Fritz Walter-Wetter und so. Der Lagerkoller geht um. Das torlose und recht trostlose Remis des Weltmeisters gegen Polen trifft quasi den Gemütszustand der fünf Freunde. Natürlich diskutieren die Fußballfans vom Deister das „laue Lüftchen“ in Deutschlands Offensive gegen Lewandowski & Co. Der Ruf nach Alternativen wird laut. Wer die Jungs kennt, der weiß, dass Schalker Jens natürlich Leroy Sané ins Spiel bringt. Aus Mangel an HSV-Spielern favorisieren Dicker und Todda den Einsatz von Prinz Poldi; die beiden Hamburg-Fans sind auch bekennende Podolski-Fürsprecher. Einig sind sich alle darüber, dass Schweinsteiger kommen muss. Jogi kriegt’s freilich nicht mit. Die Stimmung könnte besser sein – das nächtliche Ritual fällt diesmal aus.

Am Tag danach geht es in die Stadt. Morgens Dauerregen in Bordeaux; nachmittags soll die Sonne scheinen, so die Prognose. Frei nach dem Motto „praktisch Denken, Schlüpfer schenken“ wird das Wohnmobil auf dem städtischen Busbahnhof abgestellt. Die Altstadt mit Fanzone lockt. Die Tickets parat – auf dem Programm steht Belgien vs Irland. Alle sind begeistert, wie ruhig und friedlich die Fans miteinander das Spiel zelebrieren.
Riesenstimmung im Stadion. Die Belgier feiern ihren klaren Sieg. Die Iren feiern auch – trotz der 0:3-Klatsche – Wahnsinn! Nur Einer ist sauer: Todda hatte sich an der Bierbude angestellt und kommt am Anfang der zweiten Halbzeit ohne Getränke wieder. Jens kommentiert den Groll seines Freundes mit dem Spruch: „Was dem Einen sein Leid, ist dem Anderen sein Glück“. Dafür gibt’s Strafe: Jens bekommt den ganzen Tag nichts zu essen und zu trinken. Die Solidargemeinschaft hat zugeschlagen. Micha: „Am nächsten Abends war aber wieder alles gut und unser abendliches Ritual kam wieder zum Tragen – Nacht, Jens – Nacht, John Boy“.

Der Sonntag ist Urlaubstag: Den ganzen Tag am Strand und endlich mal im Atlantik baden. Abends greift dann schon langsam wieder das Reisefieber um sich. Die nächste Etappe steht an. Sie führt in Richtung Norden. „Am Montag ging’s los. Auf nach Paris, es ist die letzte Stadion unserer Reise“, erklärt Micha.
Problemlos wird die Tour gemeistert. Das Ziel heißt Prinzenpark. Tickets für Deutschlands letztes Gruppenspiel gegen Nordirland haben die Jungs in der Tasche. Erinnerungsfotos vor und im Stadion werden geschossen – und in die Heimat verschickt. Abermals Mega-Stimmung. Die Hymnen. Gänsehautfeeling.
„Sie sind drin – im Stadion“, heißt es indes auf der ASB-Plaza in Basche. Eine Bestätigung von Uta und Heike, die das letzte Gruppenspiel beim Public Viewing an der Siegfried-Lehmann-Straße verfolgen. Die beiden Strohwitwen haben von ihren Liebsten Fotos per Smartphone erhalten. Gut erholt sehen die Damen aus – meint jedenfalls der Freundeskreis.
Während die deutsche Elf nun erneut das Stadion in Lille aufsuchen muss, steuert der Van mit den fünf Egestorfer EM-Abenteurern die Heimat an. „Über Aachen in Richtung Köln, wo wir vielleicht noch einen Zwischenstopp auf der Fanmeile einlegen werden“, meldet Micha. Das Achtelfinale der Deutschen gegen die Slowakei oder Albanien am kommenden Sonntag (18 Uhr) wird dann ganz sicher wieder in Barsinghausen geguckt.
