TSV B-Kicker feiern ein Fußballfest im eigenen Wohnzimmer

Barsinghausen. Ende gut, alles gut! Das 3:0 von Jogis Jungs über die Slowakei und der Einzug ins EM-Viertelfinale geriet dann doch in den Hintergrund. Die freudigen bis strahlenden, gleichwohl erschöpften Gesichter der Verantwortlichen des TSV Barsinghausen dokumentierten dann eher das Gelingen eines sportlichen Großereignisses im heimischen REWE-Sportpark. Sogar der 1:10-Packung gegen Bundesliga-Absteiger Hannover 96 konnte Positives abgerungen werden.

Von Erk Bratke

Bildlich gesprochen: Zentnerschwer dürften die Steine gewesen sein, die den beiden Cheforganisatoren Dennis Völkers und Ulla Völkner vom Herzen geplumpst waren, als das TSV-Stadion etwa eine Stunde nach Spielschluss wie leergefegt war. Zuvor hatten der stellvertretende Spartenleiter und die Integrationsbeauftragte des Clubs über mehrere Wochen logistische Schwerstarbeit vollbracht. Schlussendlich wurde von einem reibungslosen Event gesprochen. Fast ohne Fremdunterstützung – sowohl in materieller als auch in personeller Hinsicht – hatte die TSV-Fußballsparte das Freundschaftsspiel gegen Hannover 96 im eigenen Wohnzimmer gewuppt.

Meisterlicher Job: Cheforganisatorin Ulla Völkner (rechts) beim Eingang in den VIP-Bereich.
Meisterlicher Job: Cheforganisatorin Ulla Völkner (rechts) beim Eingang in den VIP-Bereich.

Dabei geriet die 1:10-Niederlage gegen die Gäste aus Landeshauptstadt komplett in den Hintergrund. Was zählt schon das Ergebnis, wenn plötzlich der Strom ausfällt, dem Toilettenwagen die geplante Wasserzufuhr fehlt, der Grillanzünder nicht auffindbar ist, dem Getränkestand das zugesagte Personal fern bleibt, die avisierte Stadionzeitung möglicherweise doch nicht fertig wird, der ein oder andere Kartenwunsch nicht erfüllt werden kann, bei den Sicherheitsauflagen spontan nachgebessert werden muss, ein Balljunge kurzfristig erkrankt ist, wesentlich mehr Presseleute als angekündigt auflaufen oder oder oder…

Gut 50 Helfer – aus der Sparte, aber auch vereinsfremde – leisteten ihr Bestes, damit die über 1100 Zuschauer ein gelungenes Fußballfest feiern konnten. Im Vorfeld waren es Aktive aus der ersten Mannschaft wie Marvin Körber, Patrick Müller, Luca Triebsch und Robert Just, die das „geschenkte Spiel“ von 96-Trikotsponsor Heinz von Heiden auf den Weg brachten (DJ berichtete). Polizei, Feuerwehr, der ASB, vor allem die Sponsoren der TSVer – „eine Aufzählung, bei der man Gefahr läuft, irgendjemanden zu vergessen“, sagte Völkers, als er am späten Sonntagabend eine erste Dankeschön-Rundmail an den engsten Kreis verfasst hatte. Zu dieser Zeit war die miese Laune vom Vortag längst vergessen. Ebenso wie die letzte Nacht vor dem Spieltag, die Völkers mit drei Altherrenteamkollegen als „Security“ im Zelt verbracht hatte.

Zwei Tage lang hatte ein kleinerer Helferkreis die enorme Aufbauarbeit im REWE-Sportpark hinter sich gebracht. VIP-Zelt mit eigener Küchenstation, insgesamt sechs Grill- und Getränkestände für das Publikum, ein mobiler Eiswagen, das Sparkassen-Torwand-Wettspiel, WC-Wagen, Absperrgitter, die professionelle Soundanlage, das 96-Fanmobil und so weiter und so weiter. Und dann die Wetterkapriolen am Samstag: Gewitter, Blitz und Donner, Regen wie aus Kübeln und das Rund im altehrwürdigen Waldstadion unter Wasser – die Organisatoren befürchteten das Schlimmste: eine kurzfristige Absage.

Der Blick auf die Wetter-App versprach allerdings Besserung. Trockenes Wetter und angenehme 20 plus x Grad. So kam es auch. Die Aschenbahn im REWE-Sportpark weitgehend abgetrocknet und das Spielfeld in einem Topzustand. Für Letzteres hatten die TSVer in Eigeninitiative durch einen Extra-Rasenschnitt gesorgt.

Fußballstadt Barsinghausen: Stadionsprecher Holger Bratke (links) und Bürgermeister Marc Lahmann begrüßen die Zuschauer im REWE-Sportpark.
Fußballstadt Barsinghausen: Stadionsprecher Holger Bratke (links) und Bürgermeister Marc Lahmann begrüßen die Zuschauer im REWE-Sportpark.

Sonntag, 26. Juni, 14 Uhr: Das Stadion ist bereits gut gefüllt. Stadionsprecher Holger Bratke begrüßt das Publikum im Allgemeinen und Bürgermeister Marc Lahmann im Speziellen. Im Talk ist von der Sportstadt Barsinghausen die Rede, besser gesagt von der Fußballstadt Barsinghausen. Der Sitz des Niedersächsischen Fußballverbandes, die sensationellen Erfolge des 1. FC Germania Egestorf/Langreder und jetzt das erste Testspiel von Hannover 96 in der Region – eben in Barsinghausen. Lahmann freut sich, dass sein Herzensclub direkt vor der Haustür kickt.

Talk mit Schatz: 96-Torjägerlegende Dieter Schatzschneider (links) lag seinem Tipp „Zweistellig“ richtig.
Talk mit Schatz: 96-Torjägerlegende Dieter Schatzschneider (links) lag seinem Tipp „Zweistellig“ richtig.

Später erscheint auch Dieter Schatzschneider zum Interview beim TSV-Stadionsprecher. Die Torjägerlegende der „Roten“ berichtet vom ersten Testspiel des neues Kaders. Bei Germania Walsrode war dem Zweiligisten zum Auftakt ein 10:0-Erfolg gelungen. Schatzschneider lässt sich einen Tipp fürs Spiel gegen den TSV B entlocken – „10:2“, sagt er. „Ja, es wird zweistellig. Wenn nicht, spendiere ich eurer Mannschaft zwei Kisten Bier.“ Er sollte Recht behalten.

Alte Liebe: Dete Kuhlmann serviert die 96-Hmyne vor der Tribüne in einer A-Cappella-Version.
Alte Liebe: Dete Kuhlmann serviert die 96-Hmyne vor der Tribüne in einer A-Cappella-Version.

Kurz vor Spielbeginn ein gewohntes Ritual – die obligatorische 96-Hymne – und doch eine Premiere: Songschreiber und Stadionsänger Dete Kuhlmann (sein Sohn Jan Alsleben kickte einst in der Basche-Jugend) singt direkt vor der voll besetzten Zuschauertribüne die „Alte Liebe“ in einer A-Cappella-Version. Klasse! Noch kürzer vor Spielbeginn kommt die TSV-Hymne vom Band. „Das Herz vom TSV“ – auch diesen Song hat Rocksänger Kuhlmann geschrieben; die Musik stammt vom früheren Barsinghäuser Ferdy Doernberg.

Großer Auftritt: Die Einlaufkids des TSV B freuen sich auf ihre „Spielfeldbegleitung“.
Großer Auftritt: Die Einlaufkids des TSV B freuen sich auf ihre „Spielfeldbegleitung“.

Einlauf der Mannschaften. Großer Auftritt auch für die Kids aus der G-Jugend, die an der Hand von Profis beziehungsweise „Barsinghäuser Jungs“ das Spielfeld betreten. Dann der Anpfiff. Eine gute Viertelstunde hält die TSV-Defensive dicht, ehe das 1:0 durch 96-Mittelfeldmotor Sebastian Maier fällt. Die „Roten“ machen Ernst und erhöhen bis zur Pause auf 7:0. Dennoch gibt es immer wieder Szenenapplaus für die Gastgeberelf, bei der sich im Laufe der Partie vor allem die Torhüter Kai Witt, Dominic Beskow und Kevin Kitsch auszeichnen können. In Minute 86 ist es soweit: TSV-Torjäger Robert Just erhält ein prima Anspiel, lässt noch Gegenspieler Waldemar Anton aussteigen und schießt überlegt ein. 1:9 – na bitte, der Ehrentreffer ist perfekt. Riesenjubel! Das soll’s gewesen sein? Nein, Sulejmani trifft zwei Minuten vor dem Ende der Partie noch zum 10:1 und erlöst Schatzschneider. Nun also doch zweistellig. Glück gehabt, Dieter!

Nach dem Abpfiff bittet Stadionsprecher Bratke die beiden Trainer zum Kurzinterview. Klar, der Unterschied zwischen Profis und Amateuren sei überdeutlich geworden. Kein Wunder: Während sich der Zweitligist bereits seit knapp einer Woche in der Saisonvorbereitung befindet, feierten die „Barsinghäuser Jungs“ noch kurz zuvor den Abgesang der zurückliegenden Saison auf Mallorca. Unterschiedliche Fußballwelten eben. Daniel Stendel (96) wurmt das Gegentor, Thorsten Kropp (TSV) die zweistellige Niederlage – aber ansonsten: alles prima, alles gut!

Dicke Luft: Mehrfach wurde der Strafraum der Barsinghäuser Jungs“ belagert – hier klärt Kapitän André Brockmann vor 96-Sturmführer Charlie Benschop.
Dicke Luft: Mehrfach wurde der Strafraum der Barsinghäuser Jungs“ belagert – hier klärt Kapitän André Brockmann vor 96-Sturmführer Charlie Benschop.

Dann gibt es noch ein Handschlag-Versprechen. Die beiden Trainer formulieren ihre Ziele – Aufstiegsträume, die Rückkehr in Bundesliga beziehungsweise Landesliga. Sollte es gelingen, dann will man sich womöglich im nächsten Sommer an gleicher Stelle wiedersehen. Stendel nahm das Angebot an. Na ja, abwarten. Ist auf jeden Fall ein langer und keineswegs einfacher Weg. Hüben wie drüben.

Was folgt ist ein Platzsturm im positiven Sinne. Jetzt kommen die Autogramm- und Selfie-Sammler zu ihrem Recht. 96 präsentiert sich volksnah. Wenig später ist der Spuk im REWE-Sportpark vorbei. Jogis Jungs rufen. Achtelfinale in Frankreich gegen die Slowakei. Dennis Völkers und Ulla Völkner sowie einige Helfer verpassen die ersten Deutschland-Tore. Aufräum- und Abbauarbeiten stehen an. Für die DFB-Elf und die TSVer gilt dann aber eins gleichermaßen: Ende gut, alles gut!

Handschlag-Versprechen: die beiden Trainer Daniel Stendel (96) und Thorsten Kropp (TSV). Fotos: Erk Bratke
Handschlag-Versprechen: die beiden Trainer Daniel Stendel (96) und Thorsten Kropp (TSV). Fotos: Erk Bratke

Das Spiel-Stenogramm

TSV B: Witt (Beskow, Kitsch) – Dunsing, R. Abram, Mehrkens, Wittkohl, Wissel, Brockmann, Grütz-Eberhard, Triebsch, Müller, Gräler, Martin, Größ, Just, Culha, Jüngling, Kaminski, Alpers,

96, erste Halbzeit: Sahin-Radlinger – Arkenberg, Hübner, Hübers, Prib – Dierßen, Bakalorz, Maier – Wolf, Benschop, Klaus.

96, zweite Halbzeit: Sahin-Radlinger – Sorg, Anton, Sané, Albornoz – Fossum, Schmiedebach, Prib – Sulejmani, Benschop, Karaman.

Tore: 1:0 Maier (16.), 2:0 Benschop (23.), 3:0 Klaus (30.), 4:0 Klaus (32.), 5:0 Wolf (34.), 6:0 Dierßen (38.), 7:0 Hübner (43.), 8:0 Karaman (49.), 9:0 Fossum (75.), 9:1 Just (86.), 10:1 Sulejmani (88.).

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