Grundsteuer sorgt für Diskussionen

Barsinghäuser Stadtverwaltung wartet auf die Zahlen vom Finanzamt / Ohne Daten keine Berechnung möglich

Grundsteuer - da bleibt kein Auge trocken. Für normale Grundstücke gilt die Grundsteuer B, für alle land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke gibt es die Grundsteuer A. Die anstehende Reform sorgt für kontroverse Diskussionen. Foto: Google Maps
Grundsteuer - da bleibt kein Auge trocken. Für normale Grundstücke gilt die Grundsteuer B, für alle land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke gibt es die Grundsteuer A. Die anstehende Reform sorgt für kontroverse Diskussionen. Foto: Google Maps

Barsinghausen. Auf das Thema Grundsteuer sind derzeit viele Haus- und Grundeigentümer nicht gut zu sprechen. Die meisten befürchten deutlich höhere Abgaben ab 2025, einige frohlocken bereits, dass sie künftig weniger zahlen müssen. Tatsache ist, dass derzeit einfach noch niemand wissen kann, wohin die Reise letztendlich geht. Das Deister-Journal (DJ) hat in der Stadtverwaltung nachgefragt und mit Dezernatsleiter Stefan Zeidler und Kathrin Volker aus dem Amt für Finanzen gesprochen.

Das gesamte System der Grundsteuerreform ist so angelegt, dass die Summe aller neuen Messbeträge niedriger ist als vorher. Das wurde auf einer Infoveranstaltung des Landes deutlich gemacht. Dazu Stefan Zeidler: „Damit ist die Kommune im Handlungszwang den Hebesatz anzupassen, wenn sie die gleichen Grundsteuereinnahmen haben möchte wie vorher“. Zwar könne man jetzt eine ganz grobe Vergleichsrechnung anstellen, also den Hebesatz von aktuell 620 Prozent nehmen und mit dem vom Finanzamt mitgeteilten neuen Messbetrag multiplizieren. „Es ist aber nur ein Näherungswert. Wir wissen Stand heute nicht, auch nicht ansatzweise, wie hoch der Hebesatz dann 2025 sein wird. Das wissen wir erst, wenn wir den kompletten Datensatz von der Finanzbehörde bekommen haben“, so Zeidler. Dazu müssen erstmal grundsätzlich alle Grundstückseigentümer die Steuererklärung abgegeben haben.

In Niedersachsen sind rund 3,6 Millionen Erklärungen abzugeben. Bis zum 31. Januar 2023 gingen rund 2,6 Millionen Grundsteuererklärungen elektronisch ein, hinzu kommen rund 254.000 Erklärungen in Papierform. Die Abgabequote liegt damit zu diesem Zeitpunkt bei 78 Prozent.

„Wir werden verpflichtet sein, einmal grundsätzlich auszurechnen, wie hoch der Hebesatz dann künftig ist, der bei uns ein gleiches Aufkommen bedeutet“, sagt Zeidler. Angestrebtes Ziel ist es, dass innerhalb der Kommunen der gleiche Ertrag wie vor der Reform herauskommt. Entsprechend wird der Hebesatz anzupassen sein, nach oben oder nach unten. In dem Zuge wird dann zu entscheiden sein, ob es bei dem benötigten Hebesatz bleibt oder ob er erhöht wird, um mehr Einnahmen zu erzielen. Aktuell tippt Zeidler eher darauf, dass der Hebesatz in zwei Jahren nicht erhöht wird. Letztlich hänge das aber von der Entwicklung der allgemeinen Finanzsituation ab.

DJ: „Wenn die Stadt die gleichen Einnahmen erzielen will wie bisher, bedeutet das aber nicht, dass die Grundsteuerbeträge für alle gleichbleiben?
Stefan Zeidler: „Richtig. Aufkommensneutral heißt nur, dass der Betrag, der bei der Stadt auf dem Bankkonto eingeht, in Summe der gleiche ist wie vorher“. Dadurch, dass im Gegensatz zu früher jetzt auch der Lagefaktor einen Einfluss auf den neuen Messbetrag hat, werden die Eigentümer von Immobilien in besonderen Wohnlagen wohl künftig mehr zahlen müssen als bisher. Dazu Stefan Zeidler: „Es soll wohl so sein, dass für Grundstücke, die schon sehr lange im Eigentum sind, also Kaufdatum beispielsweise in den 1970er Jahren, und die seitdem unangetastet sind, wahrscheinlich künftig eine höhere Grundsteuer zu zahlen ist. Das liegt daran, dass die Grundstücke an den aktuellen Bodenrichtwert – mit einem entsprechenden Lagefaktor – angepasst werden. Grundstücke, die vor sehr vielen Jahren einmal erworben und seither nicht verkauft wurden, hatten damals natürlich noch einen niedrigeren Wert. Das wird mit der Reform angeglichen. „Man kann aber im Prinzip keine konkrete Aussage treffen, wie sich das auf den einzelnen auswirken wird“, so Stefan Zeidler.

Rechnen lohnt sich noch nicht wirklich

Rechnen lohnt sich also noch nicht, da der Hebesatz, der 2025 gelten wird, noch völlig unklar ist. Die Stadt Barsinghausen verschickt aktuell 13.886 Bescheide über die Grundsteuer B und 689 für die Grundsteuer A. Im Jahr 2015 legte die Stadt den Hebesatz auf 560 Prozent fest. Das führte im letzten Jahr zu Einnahmen in Höhe von 8.688.593 Euro (Grundsteuer B) sowie 322.340 Euro (Grundsteuer A).

Seit kurzem gilt der aktuelle Hebesatz von 620 Prozent. Um einen Inflationsausgleich zu erzielen, hätte man auf 660 Prozent erhöhen müssen. 100 Prozentpunkte Erhöhung auf einen Schlag wollte die Verwaltung den Bürgerinnen und Bürgern aber nicht zumuten. Nimmt man den aktuellen Hebesatz, so kommt die Kommune auf rund 9,8 Millionen Euro Einnahmen für die Grundsteuer B und auf 353.000 Euro für die Grundsteuer A.

Macht ein Widerspruch Sinn?

Grundsätzlich gilt, dass das alte Modell verfassungswidrig ist. Deshalb wurde das neue Modell kreiert. Das ist bedauerlicherweise nicht einheitlich. Es gibt ein Bundesmodell, welches ein reines Flächenmodell ist. Aber Niedersachsen hat sich für eine abweichende Lösung entschieden, die nach dem Gesetzesentwurf grundsätzlich auch möglich ist. Niedersachsen hat das sogenannte Flächen-Lage-Modell als fairer eingestuft. Aktuell streiten sich noch die Geister, welches der beiden Modelle denn nun tatsächlich verfassungskonform ist. Es gibt noch keine richterlichen Entscheidungen, da beide Modelle ja noch keine Anwendung finden.
Widerspruch kann man derzeit nur gegen die Bescheide des Finanzamtes bezüglich der neuen Messzahlen einlegen. Grundsätzlich darf die Stadt den Hebesatz frei gestalten.

Stefan Zeidler empfiehlt, Ruhe zu bewahren und abzuwarten. Sobald die Daten der Finanzbehörde vorliegen, will die Stadt weiter informieren. „Die ganze Nummer ist nicht auf unserem Mist gewachsen. Wir versuchen zu helfen, haben aber selbst keine weiteren Infos. Zuständig ist derzeit das Finanzamt“, so Zeidler.

Die Grundsteuer wurde in der Zeit der Weimarer Republik „erfunden“.

Historie – der Staat braucht Geld

Die Grundsteuer wurde erstmals im Jahr 1924 in Deutschland eingeführt. Die Idee dazu stammte aus der Zeit der Weimarer Republik, als die Regierung dringend nach neuen Einnahmequellen suchte, um die Finanzierung des Staates sicherzustellen. Die Grundsteuer war Teil eines umfassenden Steuerreformpakets, das darauf abzielte, die Steuereinnahmen zu erhöhen und die Abhängigkeit von der Einkommensteuer zu verringern. Die Grundsteuer wurde seitdem mehrmals angepasst und weiterentwickelt, um den sich verändernden Bedingungen im Immobilienmarkt und in der Wirtschaft gerecht zu werden.

Hessen und NRW liegen weit vorn beim Hebesatz

Im Jahr 2022 betrugen die Einnahmen aus der Grundsteuer B in Deutschland rund 14,87 Milliarden Euro. Gemäß Definition des Statistischen Bundesamtes handelt es sich bei der Grundsteuer B um eine Realsteuer, die auf unbebaute und bebaute Grundstücke, die nicht der Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen sind, erhoben wird. Die Grundsteuer A ist ebenfalls eine Realsteuer, die auf inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen erhoben wird. Mit 1.050 Prozent hatte die Stadt Lorch im Jahr 2021 bundesweit den höchsten gewogenen Durchschnittshebesatz der Grundsteuer B. In Hessen und Nordrhein-Westfalen sind die Gemeinden mit den höchsten gewogenen Durchschnittshebesätzen zu finden.

Unter den 20 Kommunen der Region Hannover lagen 2021 Laatzen und Seelze mit einem Hebesatz von je 600 Prozent vor Barsinghausen, Sehnde und Wennigsen mit je 560 Prozent im Spitzenfeld. Den niedrigsten Prozentsatz verzeichnen Lehrte, Neustadt am Rübenberge und die Wedemark mit je 440 Prozent.

Einheitswert von 1964 nicht mehr zeitgemäß

Die Grundsteuer ist in den letzten Jahren in den Fokus der politischen Diskussion gerückt. Der Grund dafür ist, dass das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 entschieden hat, dass die Berechnung der Grundsteuer in Deutschland verfassungswidrig ist. Das aktuelle System der Grundsteuer beruht auf Einheitswerten, die auf Basis von Daten aus den Jahren 1964 in Westdeutschland und 1935 in Ostdeutschland ermittelt werden. Diese Werte haben mit der aktuellen Marktlage wenig zu tun und sind daher nicht mehr zeitgemäß.

Um die Grundsteuerreform umzusetzen, wurde ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes verabschiedet, das den Bundesländern die Möglichkeit gab, eigene Regelungen zur Grundsteuer zu erlassen. Die Bundesländer haben daraufhin eigene Gesetze erlassen, die die Reform der Grundsteuer umsetzen. Die Umsetzung der Reform der Grundsteuer erfolgt in zwei Schritten. Zunächst müssen die Finanzbehörden die neuen Grundstücks- und Gebäudewerte ermitteln und in die Grundsteuermessbescheide eintragen. Anschließend müssen die Gemeinden den Hebesatz neu festlegen und die neuen Grundsteuerbescheide verschicken.

Kritik an der Reform

Die Reform der Grundsteuer hat in Deutschland zu einer kontroversen Diskussion geführt. Kritiker bemängeln insbesondere die Komplexität der neuen Berechnungsformel und die damit verbundenen Kosten für die Gemeinden und Steuerpflichtigen. Auch wird befürchtet, dass die Reform zu einer Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen führen könnte, da die Berechnung der Grundsteuer von verschiedenen Faktoren abhängt, die je nach Bundesland und Gemeinde unterschiedlich gewichtet werden. Trotz dieser Kritikpunkte gilt die Reform der Grundsteuer als wichtiger Schritt zur Schaffung einer gerechteren und zeitgemäßen Steuerregelung in Deutschland.

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