Ich packe meinen Koffer und nehme mit…

„Endlich“, sagte jüngst einer meiner „best friends“, „endlich geht’s auch für mich in den Urlaub“. Spät, aber allemal besser als gar nicht. Beim traditionellen Ferienbierchen in der glutheißen Gartenlaube spielen wir ein Spielchen von früher: Ich packe meinen Koffer und nehme mit… – ja, was denn? Auf jeden Fall etwas zum Lesen am Strand und Musik für den Player.

Von Erk Bratke

Die Lektüre? War ja klar, ein Buch aus der – sagen wir mal – sogenannten Alt-Rocker-Szene ist ausgesucht. „Van Halen – Teufelspakt“ (ISBN 978-3-85445-643-8, Hannibal-Verlag) heißt es. Auch wenn es sich auf die Jahre 1975 bis 1984 bezieht, so ist das Werk doch ganz aktuell. Die deutsche Erstausgabe ist gerade erst erschienen und erzählt die Ära der Platin-Band mit David Lee Roth als Sänger. Geschrieben hat es Noel E. Monk, und zwar mit einem autobiografischen Touch. Monk begleitete die kalifornische Formation in jener Zeit zunächst als Tourmanager und danach als Personal Manager. Der mittlerweile über 70-jährige Autor lebt in Colorado. Es ist die erste deutsche Biografie der David-Lee-Roth-Ära.

Van Halen (rund 100 Millionen verkaufte Tonträger) durchbrachen die Schallmauer des Hard Rock und galten als Pioniere des 80er-Jahre Stadion-Rock. Sie lebten schneller als andere, spielten leidenschaftlicher und kannten keine Tabus. Die vielbeschworene Trinität aus „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“ war für sie keine leere Formel, sondern stand für das Lebensmotto der unvergleichlichen Band. Schon vor dem Welthit „Jump“ füllten Van Halen die Stadien rund um den Globus und zogen das Publikum durch ihre unnachahmliche und wilde Show in ihren Bann. Doch ein Pakt mit dem Teufel forderte seinen Tribut.

Bereits vor seiner Zeit als Manager der Hard’n’Heavy-Institution hatte Noel E. Monk etliche Erfahrungen im Musikbusiness gesammelt – beim Bühnenaufbau in Woodstock, als Weggefährte von Janis Joplin und Grateful Dead sowie als Tourmanager der Sex Pistols in den USA. Doch was er dann mit dem Quartett aus Pasadena/Kalifornien erlebte, stellte seinen Erzählungen nach alles Vorhergehende in den Schatten: Während sich andere Bands mit Groupies vergnügten, bevorzugten Van Halen die berüchtigten „Ketchup-Queens“. Hartgesottene Rockmusiker nippten vor einem Konzert am Bier, wohingegen Van Halen Jack Daniels zum Frühstück kippten und als Fitness-Programm Hotelzimmer verwüsteten. Ein Auftritt von Eddi Van Halen, seinem Bruder Alex, Michael Anthony und vor allem Sänger „Diamond Dave“ Lee Roth glich einem Zirkus der Superlative. Pulsierende und harte Rhythmen, geniale Gitarren-Arbeit und akrobatische Show-Einlagen vereinten sich zu einem atemberaubenden Spektakel, von dem Fans heute noch schwärmen.

Monk präsentiert dem Leser nicht nur einen unverfälschten Blick hinter die Kulissen, sondern erzählt auch die Geschichte einer Band von vier Freunden, die Musikgeschichte schrieben. Dabei werden wegweisende Alben wie Van Halen oder 1984 vorgestellt, die über 30 Jahre nach der Produktion noch immer durch einen hohen Energiepegel überzeugen. Doch was als gemeinsames Projekt begann, endete 1985 mit einem Zerwürfnis und dem Ausstieg von David Lee Roth. „Monk malt das überzeugende Bild einer brillanten, von Drogen benebelten jungen Band, für die nur das Hier und Jetzt zählte“, schrieb beispielsweise das renommierte „Rolling Stone“-Magazin.

So weit, so gut – und nun zur Mucke. Musik ist ja allgegenwärtig. Wer nun nicht unbedingt auf pausenlos gedudelte Sommer-Hits steht, der sorgt freilich für den eigenen Stil im Gepäck. Mein „bf“ hat beispielsweise Folgendes ausgewählt…

Brandaktuell ist das neue Werk von „Saltatio Mortis“ („Brot und Spiele“ / Universal Music). Rechtzeitig zur VÖ am 17. August erschien ein weiteres Video. „Spur des Lebens“, ein wunderschönes, emotionales Duett von Marta Jandová mit Sänger Alea – siehe hier: 

„Brot und Spiele“ ist mittlerweile das elfte Studioalbum der Mittelalter-Rocker oder auch Spielleute, wie sie sich selbst gerne nennen. Drei Jahre hatte sich die achtköpfige Band Zeit gelassen, was sicherlich auch der imposanten Anzahl ausverkaufter Konzerte in den letzten Jahren geschuldet sein mag. Apropos: Beim M’era Luna in Hildesheim gab’s jüngst kein Halten mehr. Klasse-Auftritt! Zu den musikalischen Gästen auf „Brot und Spiele“ zählen Malte Hoyer von „Versengold“ sowie Mr. Hurley („Mr. Hurley & die Pulveraffen“), deren gemeinsame Geschichte mit Saltatio Mortis weit in die Zeit der Mittelaltermärkte zurückreicht. Was also lag näher, als die beiden bei einem Titel wie „Mittelalter“ um launige Unterstützung zu bitten – ein Anliegen, dem die beiden Special-Guests beim feucht-fröhlichen Studiotermin nur zu gerne nachkamen. Wer meint, dass die Mittelalterklänge insgesamt mehr und mehr dem deutschen Stadionrock weichen, für den bietet sich die Deluxe Edition an. Der zweite Silberling der Doppel-CD bringt den „echten“ Fans die mittelalterliche Keule. 13 weitere Songs im herbeigesehnten Burgen-Drachen-Lagerfeuer-Gewand. Der Titel „Ad Fontes“ (zu den Quellen/zu den Wurzeln) ist dann wohl Programm.

Eher leichtere Kost gibt es von „Carpark North“ („Hope“ / Motor Entertainment). Die preisgekrönte dänische Rockband ist bekannt für ihre charakteristische Mischung aus Rock und elektronischem Sound mit eingängigen Refrains und energiegeladenen Live-Shows. Ende der 1990er Jahre wurde das im heimischen Studio aufgenommene Demo der Band zum meistverkauften seiner Art in der dänischen Musikgeschichte. Das führte dazu, dass ihr Debütalbum die Nation im Sturm eroberte und die Spitze der Album-, Single- und Radiocharts erklomm. Von Anfang an hat sich die Band an einen strikten Do-it-yourself-Ethos gehalten, wenn es um Musikvideos, visuelle Live-Effekte, Illustrationen, Grafiken und das Songschreiben geht. In ihrer nunmehr über 15-jährigen Karriere wuchsen sie zu einem internationalen Touring-Act mit weltweiten Auftritten, unter anderem als Support für „30 Seconds To Mars“, „Moby“ und „Sunrise Avenue“ heran. Nach mittlerweile sechs Outputs erschien der neue Silberling nun mit etwas Verspätung am 17. August. Bei unserem Anspieltipp „Heroes“ ist auch Finnen-Liebling Samu Haber mit von der Partie: 

Okay, die beiden genannten Alben haben aufgrund ihres brandaktuellen Veröffentlichungsdatums so gerade eben noch Platz gefunden. Zwei CDs, das spricht nicht unbedingt von Vielfalt. Nee, da waren zuvor schon andere Alben verstaut – ich packe meinen Koffer und nehme außerdem noch mit…

Ben Rector, „Magic“ (OK Kid / Activist): Der Singer, Songwriter und Multi-Instrumentalist Ben Rector wurde in Oklahoma geboren und lebt mit seiner Familie in Nashville. Auf seinem neuen Album reiht er 13 musikalische Perlen aneinander, die Spaß machen. „Magic“ ist der Nachfolger von Rectors Durchbruch-Album „Brand News“, das es gleich in die Top 10 der Billboard 200 schaffte und mit dem Titeltrack einen Top-5-Radio-Hit enthielt. „Brand New“ hat bereits über 41 Millionen Spotify-Streams und tauchte über 40-mal in diversen Filmen und im TV auf. Der Anspüieltipp „I Will Always Be Yours“ ist ein stilistischer Gruß in Richtung „Huey Lewis And The News“, einer von Rectors Lieblings-Bands. Darauf zu hören ist ein Gitarren-Solo von Steve Stevens, der für seine Arbeit mit Billy Idol, Michael Jackson und dem Titelsong für „Top Gun“ bekannt ist. Anspielspieltipp: 

Andreas Gabalier, „Vergiss mein nicht“ (Electrola): War ja klar, der Mann grüßt von der Eins! Bereits Anfang Juni schoss der Volks-Rock’n’Roller mit seinem neuen Album auf Platz 1 der Offiziellen Deutschen Charts. Seine Karriere geht also weiter steil bergauf, was auch die rasentschnell ausverkauften Konzerte belegen. Auch für 2019 ist eine Stadion-Tour in Planung. Dabei hat sich Herr Gabalier für „Vergiss Mein Nicht“ viel Zeit genommen. Ganz in Ruhe hat er die Herbst- und Wintermonate des letzten Jahres in seiner steierischen Heimat genutzt, um sein sechstes Album entstehen zu lassen. Rockiger und progressiver ist sein neues Meisterwerk geworden – noch energiegeladener, heißt es. Er hat die unbändige Power seiner Live-Shows und Tourneen rein ins Studio gebracht – quasi in die Songs einfließen lassen. Das geht dann wohl in allen Altersklassen.

Ciaran Lavery, „Sweet Decay“ (Believe Digital UK): Es gibt Menschen, die in Ciaran Lavery den besseren Ed Sheeran sehen. Auch wenn der Singer/Songwriter in seiner irischen Heimat mit Preisen ausgezeichnet ist und auf Spotify mittlerweile über 80 Millionen Streams zu verzeichnen hat, ist es doch sein Talent für poetische Lyrics, die ihm bislang die meiste Beachtung brachten. Auf seinem aktuellen, insgesamt dritten Werk verbindet der Ire gekonnt akustische Ohrwürmer mit traditioneller Songwriting-Kunst. Abseits der großartigen Melodien ist das Album jedoch vor allem eine Sammlung feinfühliger Geschichten, die trostreich und zugleich verstörend sind und an die lyrische Brutalität einer Angel Olsen oder die Feinfühligkeit eines Neil Young erinnern. Ein Mann der erlebnisreichen Kurzgeschichten wie beispielsweise auf der Single „To Chicago“. Anspieltipp:

Ray Cooper, „Between the Golden Age & The Promised Land“ (Westpark Music / Indigo): Das ist doch was für laue Sommerabende am Lagerfeuer. Ray Cooper, bis 2013 Mitglied der legendären „Oysterband“, präsentiert sein drittes Solo-Album. Dabei definiert der Engländer, der in Schweden eine neue Heimat gefunden hat, weiter seinen sehr eigenen musikalischen Stil. Es ist ein akustisch gehaltenes Album mit ernsten Themen, dennoch freudvoll und unverhohlen romantisch. Während Cooper sich als Sänger weiterentwickelt, spielt er auf diesem Album auch alle Instrumente selbst, und dies in einer schlichten Produktion, die von der Art und Weise inspiriert ist, wie Rick Ruben die späten Johnny Cash Alben produziert hat. Neben Instrumenten wie dem Cello, der Mandoline, Gitarre und Mundharmonika gibt Cooper auch sein Debut als Pianist. Das Album ist kräftig folkig angehaucht.

Kiddo Kat, „Piece Of Cake“ (Record Jet): Ein Debüt-Album – Sommer-Hits inklusive? Die Label-Presse sagt: „Kiddo Kat ist wie eine Sonnenbank für die Seele – eine musikalische Leibspeise im trüben deutschen Singer-Songwriter-Melancholie-Einheitsbrei. Die Wahlhamburgerin aus dem Schoße der Hauptstadt schießt mit übersprudelnder Lebensfreude und Beat-betonter urbaner Popmusik wie mit Leuchtraketen um sich und beweist allen Schwarzmalern, dass englischsprachige Musik aus Deutschland den internationalen Vergleich nicht scheuen muss. Wenn das Energiebündel mit den ellenlangen blonden Haaren Ihre kirschrote Flying-V-Gitarre um den Hals hängt und mit einer lässigen Selbstverständlichkeit spielt, als hätte sie nie etwas anderes gemacht, bleiben wirklich keine Fragen offen. Dazu grinst sie verschmitzt und wickelt Ihr Publikum mit entwaffnend guter Laune um den Finger wie Kaugummi.“ Okay, R’n’B im Popgewand. Sagen wir mal: Gewöhnungsbedürftig. Übrigens: Die Frau geht im Herbst auf Tour und gastiert am 15. Oktober im Lux in Hannover. Anspieltipp:

Goldmeister, „Alles Gold“ (Deutsche Grammophon): Noch ein Debüt. Bewährtes mit Bewährtem verbinden und dadurch Neues generieren. Dieser Aufgabe stellten sich Phil Ohleyer und Chris Dunker, die zuvor schon mit ihrer Band „Phoenix West“ deutsche Texte im fulminanten Orchestergewand präsentierten. Für ihre Kombination wählten sie Swing- oder alte Dixie-Titel mit deutschen Texten zu mischen, und phrasierten diese in Rap-Manier. Dazu stießen dann aus der Hamburger Musikszene die „Ragtime Bandits“ und der Pianist Lutz Krajenski und das neue Projekt nahm schneller als gedacht Gestalt an. Das Ergebnis fühlt sich an, als hätten Goldmeister ein Elixier gefunden, das seit mindestens 20 Jahren auf der Hand liegt, aber niemand zu greifen wagte. Denn wie von Zauberhand verbinden sich die Songs aus der Feder von Peter Fox, den „Fanta 4“, „Fettes Brot“, Jan Delay und anderen nebst der Eigenschöpfung „Ihr Tattoo“ mit fröhlichen Breitseiten von Brass, Banjo und Klavier zu einem ebenso organischen Mix. Zweifellos interessant, aber freilich nicht jedermanns Sache – weil Swing, hm… Anspieltipp:

Anyone’s Daugther, „Living In The future“ (inakustik): Upps, da klingelt doch was! Klar, deutsche Rockband der späten 1970er Jahre, die sich mit Alben wie „Adonis“ (1979) und Songs wie „Moria“ (1980) in die Herzen vieler Prog-Rock-Fans spielten. Im Gegensatz zu vielen anderen Bands jener Zeit, die ein bloßes Revival hinlegen und ihre schon Jahrzehnte zuvor gespielten Songs wieder aufleben lassen, wollten die neugegründeten „Anyone’s Daugther“ nicht im alten Stil weitermachen, sondern ihren persönlichen musikalischen Reifungsprozess in ihr kreatives Schaffen einfließen lassen. Somit ist der Titel des aktuellen Werks Programm. Die lange Zeitspanne zeige, so Matthias Ulmer, Komponist und mittlerweile einzig verbliebenes Mitglied aus der Urbesetzung, dass man sich unter keinen Druck stellen, sondern sich viel Zeit nehmen wollte, Neues entstehen zu lassen. Auf den Punkt gebracht kann man sagen, dass die neuen „Anyone’s Daughter“ im positiven Sinne „textlastiger“ geworden sind. Instrumental orientierte Stücke von 24 Minuten Länge sind auf „Living The Future“ nicht zu hören. Dafür aber Songs mit feinsinnigen Texten aus der Feder des renommierten Songschreibers Michael George Jackson-Clark, passend geschrieben zu den starken Kompositionen von Matthias Ulmer.

Subsignal, „La Muerta“ (Gentle Art Of Music / Soulfood): Gute zwei Jahre hatte sich die Band Zeit gelassen, um ihren aktuellen Silberling an den Start zu bringen. Die deutsch-holländische Formation gehört zur Speerspitze des Progressive-Rock. Wer auf ähnliche Vertreter wie „Asia“, „Marillion“ oder „Yes“ bis hin zu „Rush“ steht, dürfte auch hier richtig liegen. „Subsignal“ liefern über 50 Minuten packende und eingängige Melodien, eine überragende Instrumententechnik sowie eine meisterhafte Sound-Produktion. Die elf Songs klingen keineswegs angestaubt und schon gar nicht wie Kopien der genannten Genre-Kollegen. Progressive ja, aber auch poplastig und rockig. „Ein starkes, wenn nicht sogar ihr bestes Album – kompositorisch auf höchstem Niveau“, urteilten mehrere einschlägige Kritikerblätter und wählten die Scheibe zu ihrer Platte des Monats. Anspieltipp: