
„Sprechendes Tier“ (Marcel Brell) oder „Die Ballade von der ‚Blutigen Rose’“ (Spielbann) oder „Devil’s Trails“ (Vanderlinde) – die Titel der drei Neuerscheinungen lassen jede Menge Spielraum, um eigenen Gedanken oder Interpretationen freien Lauf zu lassen. Musikalisch könnten die drei Silberlinge kaum unterschiedlicher sein.
Von Erk Bratke
Marcel Brell / „Sprechendes Tier“ (Conradstraße/Believe Digital): Schau an, was der 34-jährige Sänger, Komponist und Produzent schon alles an Preisen eingeheimst hat. 2015 erhielt er mit dem Fred-Jay-Preis die wichtigste deutsche Textdichter-Auszeichnung, mit der zuvor schon Größen wie Rio Reiser, Fanta 4 und Clueso bedacht worden waren. Nahezu zeitgleich erfolgte die Nominierung beim Deutschen Musikautorenpreis in der Kategorie Nachwuchs und das Goethe-Institut schickte ihn als „Botschafter der deutschen Sprache“ ins Ausland.
Ausschlaggebend war wohl sein Debütalbum „Alles gut, solang man tut“ (2014). Jetzt schiebt der Sohn eines Opernsängers und einer Tänzerin (geboren in Wesel am Niederrhein) sein Nachfolgewerk hinterher. Es heißt, seine neuen Songs seien lauter, emotionaler und bunter, was natürlich relativ ist. Fakt ist zweifellos, dass der gute Marcel vor allem mit seinen Texten Tiefe gepaart mit enormen Wortwitz schafft. Der Mann spielt mit unserer Sprache.
Phasenweise ergibt sich der Eindruck, der Künstler rutscht mit seinen Erzählungen ins Chansons-Fach ab. Die neuen Lieder hat er bereits bei zahllosen Konzerten auf die Probe gestellt, entweder bei eigenen Auftritten oder in prominenter Gesellschaft als Support von A-ha, Suzanne Vega und der Alin Coen Band. Anspieltipp von der neuen CD: „Keine Worte“, was natürlich keineswegs auf Marcel Brell zutrifft.
Vanderlinde / „Devil’s Trails“ (Snakebite Records): Toll, Arjen Vanderlinde und seine Mitstreiter gehen mit einem Doppelalbum an den Start. Sechs brandneue Songs (CD 1 New Epic Trails) sowie zehn Best Of-Songs der ruhigeren Sorte (CD 1 Easy Trails) und 15 Best Of-Tracks der rockigen Variante (CD 2 Rough Trails) – das ist echt ’ne Menge erstklassiger Musik. Untertitelt ist das Gesamtwerk als „Single Malt Music From The Dutsch Mountains Distilled And Bottled In Highland Heights Kentucky“ – da spürt man doch eigentlich sofort, wohin die Reise geht.
Vanderlindes Musik lässt sich am besten als authentische Soundlandschaft zwischen Soft-Rock und Americana beschreiben. Das Spektrum reicht von Crowded House und Jason Mraz bis hin zu den Beatles, Simon & Garfunkel und den Eagles. Vor allem Letztgenannte lassen mehrfach grüßen.
Nach fünf regulären Studioalben sei es an der Zeit für einen umfangreichen Karriererückblick gewesen, heißt es. Und der ist dem niederländischen Namensgeber prima gelungen. An der Seite von Arjen Vanderlinde (Songschreiber, Bassist, Gitarrist und Sänger) vollbringen Wietze Koning (Gitarre), Bart Schwertmann (Gitarre und Gesang) und Mark Eshuis (Schlagzeug) sowie Live-Mischer Taco Amsing als fünfter Mann einen exzellenten Job. Hier gibt es einen tollen Albumtrailer:
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Spielbann / „Die Ballade von der ‚Blutigen Rose’“ (Trisol Music Group/Soulfood): Hm, Dark-Gothic-Rock – nicht jedermanns Sache, oder? Jenes Genre findet wahrlich nicht sofort Platz in den Gehörgängen. Die zeitweise siebenköpfige Mittelalter-Rock-Formation aus dem Saarland erblickte Ende des Jahres 2000 zunächst unter dem Namen Calvory“ das Licht der Welt und lieferte seitdem vier Longplayer ab. Der Titel von Album Nummer 5 (und Titeltrack) zeichnet freilich vielsagend den eingeschlagenen Weg auf. Märchen für Erwachsene, schaurig-schön und voller kontrastreicher Poesie.
Die Musik beschreibt die Label-Presse als eine „Melange aus druckvoll-treibenden Momenten sowie zutiefst berührender Melancholie und Tristesse zu einem virtuosen Kleinod für das schwermütige, dunkle Herz“. Aha! Der Sound besticht mit explosiven Klangkaskaden aus scharfen Gitarrenriffs, eingängigen Keyboard-Programmierungen, düsteren Melodien und dem Wechselgesang von Geschichtenerzähler Seb Storm und Sängerin Nic Frost. Bei den Kompositionen und Arrangements hatte – wie schon auf den beiden Vorgängeralben „Wiedergänger“ und „In Gedenken“ – die Gothic-Ikone Asp seine Hände im Spiel. Passt!
Hier sind die Hörproben:
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